Nachbericht zur SYNMIKRO-Veranstaltung | Mikroorganismen für mehr Nachhaltigkeit „Microbes4Climate“ am 22.05.2024
Unter dem Titel „Microbes4Climate – From Greenhouse Gases to Products“ wurde ein spannendes Programm mit internationalen Referenten geboten. Nach einleitenden Worten von unter anderem Dr. Thomas Spies, dem Oberbürgermeister der Stadt Marburg, sowie Prof. Dr. Tobias Erb, Direktor am Max-Planck-Institut für Terrestrische Mikrobiologie, boten Prof. Dr. Justin North (Ohio State University, USA) und Prof. Dr. Diana Sousa (Wageningen University, Niederlande) eine Einführung in ihre aktuellen Projekte. Der Schwerpunkt von Frau Prof. Sousas Forschung liegt auf der gemeinsamen Kultivierung unterschiedlicher Bakterienstämme, die so optimiert werden, dass sich ihre Stoffwechselwege optimal ergänzen und der Ausgangsstoff CO2 dadurch besonders effizient verwertet werden kann. Dabei entstehen nutzbare Kohlenstoffverbindungen wie Hexanol oder Butanol, die als Grundstoffe für die chemische Industrie von Bedeutung sind. Die Arbeitsgruppe um Herrn Prof. North beschäftigt sich mit der mikrobiellen Umwandlung von CO2 in Ethylen. Ethylen ist ein wichtiger Grundstoff für die Herstellung von Kunststoff. Konventionell wird Ethylen aus fossilen Energieträgern hergestellt und hat daher eine schlechte Klimabilanz. Diese kann mithilfe von Mikroorganismen jedoch erheblich verbessert werden, da durch deren Einsatz bei der Produktion CO2 gebunden anstatt freigesetzt wird.
Im zweiten Themenblock präsentierte Dr. Bonnie Murphy, Arbeitsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut (MPI) für Biophysik in Frankfurt, Ergebnisse aus der Grundlagenforschung. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, die Struktur des mikrobiellen Enzyms, das Kohlenstoffmonoxid in Kohlenstoffdioxid umwandelt, vollständig aufzuklären. Sie liefern damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis darüber, wie Mikroorganismen arbeiten. Dr. Johannes Rebelein, Arbeitsgruppenleiter am MPI für Terrestrische Mikrobiologie aus Marburg, setzte den Fokus seines Vortrags auf ein weiteres mikrobielles Enzym: die Nitrogenase. Nitrogenasen können CO2 unter anderem in Ethylen umwandeln, das wie bereits erwähnt als Ausgangsstoff für die Kunststoff-Herstellung dient. Auch die Optimierung der Ausbeute ist Gegenstand der aktuellen Forschung.
Prof. Dr. Dipti Nayak (University of California, USA) eröffnete den dritten Themenblock am frühen Nachmittag. Sie interessiert sich insbesondere für das Treibhausgas Methan, das von bestimmten Archaeen, einzelligen Lebewesen, die allerdings nicht zu den Bakterien zählen, zu CO2 oxidiert werden kann. Die Methanproduktion auf dem Planeten steigt massiv an und das Gas befeuert den Klimawandel weitaus stärker als CO2. Anschließend referierte Prof. Dr. Nico Claassens (Wageningen University, Niederlande) darüber, wie der mikrobielle CO2-Stoffwechsel optimiert werden kann: hier werden beispielsweise artfremde Enzyme integriert, um die Ausbeute an einem gewünschten Produkt zu erhöhen.
Im letzten Themenblock stand vor allem die praktische Anwendung von Mikroorganismen im Mittelpunkt. Zwei hessische Unternehmen, die Algoliner GmbH & Co. KG und die BRAIN Biotech AG stellten ihre innovativen Ansätze vor. Algoliner bietet spezielle Photobioreaktoren für Mikroalgen an, die vor allem auf Nachhaltigkeit ausgelegt sind. Als Material wird Plexiglas anstelle von Borosilikatglas verwendet, das zum einen recyclebar ist und zum anderen direkt am Ort der Montage in Form gebracht wird, wodurch Material- und Transportkosten gespart werden. Ziel ist es, ein kostengünstiges und beliebig skalierbares System zur Kultivierung von Mikroalgen anzubieten, die CO2 binden und beispielsweise in der Lebensmittelindustrie als Rohstoff von Interesse sind.
Die BRAIN AG findet Lösungen für nachhaltigere Produktionsprozesse unter Zuhilfenahme von Bakterien. Dabei handelt es sich größtenteils um Projekte aus dem Cleantech-Bereich, also dem Bereich der nachhaltigen Prozessoptimierung. Als Fallbeispiele wurde die Produktion von Succinat aus CO2 durch Bakterien, um daraus Bioplastik herzustellen, genannt, das Recycling von Batterien sowie die Rückgewinnung von Edelmetallen wie Gold aus Elektroschrott mithilfe von Mikroorganismen.
Prof. Dr. Cornelia Welte (Radboud University, Niederlande) schloss den letzten Block mit ihrem Bericht über die komplexe Gewinnung von methan-umwandelnden Archaeen. Da diese im Gegensatz zu den allermeisten Bakterienstämmen nicht kommerziell erworben werden können, müssen sie in einem sehr langwierigen Prozess aus Bodenproben isoliert und in Kultur gebracht werden, um mehr Erkenntnisse über den Funktionsmechanismus und die nötigen Kulturbedingungen zu erhalten, damit in Zukunft auch Archaeen für den Klimaschutz eingesetzt werden können.
Im Rahmen des Symposiums wurde auch der M4C EXPLORER-Preis verliehen.
Ein letztes Highlight der Veranstaltung bildete der öffentliche Vortrag des Youtubers Jacob Beautemps, der mit seinem Kanal „Breaking Lab“ wissenschaftliche Themen für die Allgemeinheit aufbereitet. Unter der Überschrift „Die Zukunft ist jetzt – Innovationen, die unser Leben besser machen“, gab er dem Publikum noch einige Denkanstöße mit auf den Weg.
Unterstützt wurde das Symposium vom Technologieland Hessen.
Das Zentrum für Synthetische Mikrobiologie (SYNMIKRO), ein ehemaliges LOEWE-Zentrum, ist ein Verbund von Wissenschaftlern der Phillips-Universität Marburg, der Justus-Liebig-Universität Gießen, sowie des Max-Planck-Instituts für Terrestrische Mikrobiologie. Es werden sowohl grundlegende Stoffwechselwege erforscht als auch Methoden der Synthetischen Biologie angewandt, um Mikroorganismen mit optimierten Eigenschaften zu kultivieren. Dem SYNMIKRO angegliedert ist das Exzellenzcluster Microbes4Climate, dessen Förderung die Marburger Forschenden bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG beantragt und die erste Antragsrunde erfolgreich durchlaufen haben.