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11.07.2018

Bundessozialgericht bestätigt Mischpreisbildung für neue Arzneimittel

Versorgung von Krebspatienten gesichert, Schwächen des AMNOG bleiben

Berlin - In der vergangenen Woche hat das Bundessozialgericht in Kassel die sogenannte ‚Mischpreisbildung‘ bei neuen Arzneimitteln bestätigt – entgegen einem anderslautenden Urteil des Landessozialgerichtes Berlin/Brandenburg vom März 2017. Hintergrund des Streites ist eine Regelung im Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) von 2010, die bei einer frühen Nutzenbewertung Angaben zu einem therapeutisch bedeutsamen Zusatznutzen auch für einzelne Patientengruppen fordert. 

Bisherige Praxis in den Preisverhandlungen zwischen den Krankenkassen und den pharmazeutischen Unternehmen war es, einen einheitlichen, sogenannten Mischpreis für die gesamte Indikation zu vereinbaren. Mit seinem aktuellen Spruch hat das Bundessozialgericht dieses Vorgehen bestätigt und der Schiedsstelle einen breiten Ermessungsspielraum zugestanden. Das Urteil darf aber nicht über darüber hinwegtäuschen, dass die Datenbasis für eine Bewertung des Zusatznutzens bei vielen neuen Arzneimitteln schmal ist und die Kriterien für eine Subgruppenbildung umstritten sind.

Die frühe Nutzenbewertung nach dem AMNOG

Zweck der frühen Nutzenbewertung neu zugelassener Arzneimittel ist die Schaffung einer Basis für Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen mit dem Ziel einer Begrenzung des Anstiegs der Arzneimittelkosten. Im internationalen Vergleich sind die Vorgaben des AMNOG ein deutscher Sonderweg. Dieser besteht aus einer Mischung von Elementen der freien Marktwissenschaft und einer nutzenorientierten Erstattung. Die Bewertung des medizinischen Zusatznutzens eines neuen Arzneimittels erfolgt gegenüber einer zu Beginn des Verfahrens festgelegten, zweckmäßigen Vergleichstherapie und wird durch die Organe der Selbstverwaltung in der Verantwortlichkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) durchgeführt. Bisher wurden über 300 Verfahren mit einer Bewertung abgeschlossen, dabei betraf mehr als ein Drittel neue Arzneimittel für Krebspatienten.

Bisheriger Konsens war ein einheitlicher Preis für ein Arzneimittel für alle Patienten, unabhängig von Indikation oder Subgruppe: Aspirin kostet dasselbe für Männer und für Frauen, und es hat denselben Preis unabhängig davon, ob es gegen Kopfschmerzen oder bei Grippesymptomen eingesetzt wird. Dieses Vorgehen wurde für neue Arzneimittel vom Landessozialgericht (LSG) Berlin/Brandenburg infrage gestellt. Es urteilte im März 2017, dass „[…] jedenfalls die Methode der Mischpreisbildung […] kein mit dem Gesetz zu vereinbarender Weg zur Festlegung des Erstattungsbetrags […]“ sei (L 9 KR 437/16 KL ER).

Bundessozialgericht bestätigt bisherige Praxis der Mischpreisbildung

Mit seinem Urteil vom 4. Juli 2018 hat das Bundessozialgericht auf die Revision der beklagten Schiedsstelle das Urteil des LSG aufgehoben und die Klage des GKV-Spitzenverbands gegen einen Schiedsspruch abgewiesen. In der Entscheidung wird darauf hingewiesen, dass nach dem Arzneimittelpreisrecht für ein Arzneimittel grundsätzlich nur ein Preis gilt, und dass bei einer am Zusatznutzen orientierten Kalkulation die Bildung eines Mischpreises unerlässlich ist, wenn der G-BA den Zusatznutzen oder die zweckmäßige Vergleichstherapie für unterschiedliche Patientengruppen verschieden bewertet hat. Das BSG in seinem Urteil: „Als Durchschnittswert, der die unterschiedlichen Nutzenbewertungen der gesamten Patientenpopulationen berücksichtigt, gleichen sich die teils zu hohen und teils zu niedrigen Erstattungsbeträge bei einer Gesamtbetrachtung im Endeffekt aus, wenn die Verteilung des Arzneimittels auf Patienten mit und ohne Zusatznutzen rechnerisch angemessen berücksichtigt wird.“

Dazu Prof. Dr. med. Michael Hallek, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V.: „Viele Krebspatienten profitieren von den neuen Arzneimitteln. Auch wenn in Zulassungsstudien nur eine begrenzte Anzahl von Patienten untersucht werden kann, erlaubt uns die Zulassung in der Regel, alle Patienten mit einer bestimmten Krankheit und definierten Merkmalen zu behandeln. Der verordnende Arzt entscheidet im Rahmen seiner Therapiefreiheit, ob und welches Arzneimittel am besten geeignet ist. Das jetzige Urteil unterstützt dieses Vorgehen und schafft Sicherheit bei der Verordnung neuer Arzneimittel.“

Weiterhin unterschiedliche Festlegungen in verschiedenen Subgruppen

Das Problem der Definition von Subgruppen ist mit dem Urteil des Bundessozialgerichts damit allerdings nicht gelöst. In etwa der Hälfte der Verfahren wurden vom G-BA Subgruppen definiert, die Zahl reicht von 2 bis 9. In etwa 60 Prozent aller Subgruppen erfolgte die Festlegung „Zusatznutzen nicht belegt“. Eine fixe Methodik gibt es nicht. Jede Patientengruppe ist gemischt. Subgruppenanalysen können Patienten identifizieren, die im besonderen Maße von einer neuen Behandlung profitieren oder nicht profitieren. Auf der anderen Seite sind Subgruppenanalysen anfällig für Manipulationen, Verzerrungen und falsche Folgerungen durch spezielle Selektion der Daten, insbesondere wenn die Subgruppen nachträglich (post hoc) in Kenntnis der vorliegenden Ergebnisse definiert wurden.

Dazu Prof. Dr. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO und Sprecher der Ad-Hoc-Kommission Nutzenbewertung der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.): „Grundsätzlich begrüßen wir die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel. Sie hat zu größerer Transparenz über die zugrundeliegenden Daten geführt und den Anstieg der Arzneimittelkosten verlangsamt. Das Urteil des Bundessozialgerichtes zur Mischpreisbildung schafft Sicherheit in der Verordnung und kommt direkt den Patienten zugute. Damit entsteht Freiraum zur Diskussion der offenen AMNOG-Themen wie Definition von Subgruppen, patientenbezogene Bewertung von Endpunkten, Preisbildung bei Kombinationstherapien und späte Nutzenbewertung.“

 

Quelle: Pressemitteilung der Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie

 

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