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15.02.2023

Safety first!

Der Nachbericht zur Veranstaltung „Sicherheit und Zuverlässigkeit von Materialien und Bauteilen für die Wasserstoffwirtschaft“

Der Nachbericht zur Veranstaltung vom 24. Januar | Veranstaltungsreihe „Materials to RePower EU“: Sichere und zuverlässige Werkstoffe bilden das Fundament der künftigen Wasserstoffwirtschaft. 

Das Kampagnenlogo
© Hessen Trade & Invest / bartels + drescher

Wasserstoff ist ein sehr mobiles, reaktives und explosives Gas, das der Mensch aber weder sehen noch riechen kann – diese „Unfassbarkeit“ hat eine Wasserstoffwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder ausgebremst.
Für eine erfolgreiche Wasserstoffwirtschaft ist also zu klären: Wie detektiert und analysiert man Wasserstofflecks? Welche Methoden messen zuverlässig unerwünschte Wechselwirkungen mit Metallen und anderen Werkstoffen? Mit welchen Materialien ist das Gas sicher zu speichern und zu nutzen? Die Veranstaltung „Sicherheit und Zuverlässigkeit von Materialien und Bauteilen für die Wasserstoffwirtschaft“ vom Materials Valley und dem Technologieland Hessen am 24. Januar gab Einblicke in neue Projekte und Entwicklungen.


Diffusion macht Material müde

Materialtechnische Fragen stellen sich gleich zu Beginn der Wertschöpfungskette: bei der Gewinnung von Wasserstoff. Elektrolyseure verlieren an Leistung, wenn sich Katalysator und Membranen, aber auch passive Bauteile wie Interkonnektoren oder Bipolarplatten im Einsatz stofflich verändern, korrodieren oder instabil werden. Im Rahmen des Projekts DEGRAD-EL3 untersucht ein Team aus DECHEMA und Industrieunternehmen die Degradationsmechanismen in drei verschiedenen Elektrolyseur-Typen.

Die DECHEMA hat mehrere Messmethoden entwickelt, die mobile (diffuse) Wasserstoffmoleküle von nicht mobilen oder chemisch gebundenen unterscheiden und deren Einfluss auf Werkstoffe sichtbar machen. Mit ihnen lassen sich Lebensdauer und Degradationsursachen von Einzelzellen und kleinen Stacks mit beschleunigten Stressverfahren und Dauertests abschätzen bzw. identifizieren. „Für die Degradation entscheidend ist vor allem die Menge an diffusem, hochmobilem Wasserstoff“, sagt Jean-Francois Drillet, Leiter der Gruppe Energiespeicher bei der DECHEMA. Freie Wasserstoffmoleküle können Werkstoffe sowohl an der Oberfläche schädigen als auch tief in das Atomgitter von Metallen eindringen und damit Versprödung und Rissbildung verursachen.


Alles für eine Platte

Die metallische Bipolarplatte ist Träger für die beiden Pole und damit ein zentrales Element in Elektrolyseuren, aber auch in Brennstoffzellen. Bipolarplatten sollen korrosionsfeste, also chemisch passivierte Oberflächen haben und zugleich hohe Stabilität und hohe Leitfähigkeit zeigen. „Das sind eigentlich widersprüchliche Eigenschaften“, sagt Professor Tim Hosenfeldt, Senior Vice President Zentrale Technologien bei der Schaeffler AG. Das Unternehmen entwickelte eine Platte, die durch die Zusammensetzung der Legierungselemente und durch spezielle Beschichtung sowohl leitfähig als auch wenig korrosionsanfällig ist. Und das ganz ohne den Einsatz von Edelmetallen. Der besonders dünne und kompakte Aufbau habe zudem einen um 60 Prozent kleineren CO2-Fußabruck als herkömmliche Platten für PEM-Brennstoffzellen, so Hosenfeldt. Für diese Innovation erhielt das Unternehmen 2022 den Clepa Award, eine Auszeichnung des europäischen Verbandes der Automobilzulieferer. Die Produktionsmenge von derzeit 720 000 Platten jährlich soll in den kommenden Jahren auf 50 Millionen steigen.


Smarte Tanks unter Hochdruck

Auch an Drucktanks für Wasserstoff werden vielfältige Anforderungen gestellt. Sie müssen leicht, stabil, druck- und diffusionsfest sein. Im Projekt Hymon entwickeln Partner aus Forschung und Industrie derzeit eine sensorbasierte „On-Board-Strukturüberwachung“ für Fahrzeugtanks aus Faserverbundwerkstoffen (FVW). „Damit sollen die Tanks aus gewickelten Endlosfasern auf unsichtbare Schäden im Inneren der Wicklungen hin überwacht werden,“ sagt Julia Decker, Leiterin der Gruppe Betriebsfestigkeit Kunststoffe beim Fraunhofer LBF. Decker und ihr Team testen für Hymon verschiedene preisgünstige Sensoren auf Eignung und Zuverlässigkeit und bewerten Schäden in verschiedenen Faserverbunden bei zyklischer Belastung.

Hochdrucktanks bestehen aus bis zu 50 Lagen Fasern, die in eine Matrix eingebettet sind. Um die einzelnen Lagen zu untersuchen und ihre Eigenschaften zu bewerten, braucht es zahlreiche Parameter und Kennwerte. Beispielweise unterscheiden sich Steifigkeit und Festigkeit in Längs- und Querrichtung deutlich. „Wenn eine Wicklung nur ein klein wenig vom optimalen Faserwinkel abweicht, gehen die Parameter in die Knie“, betont Daniela Feldten, Geschäftsführerin der MeFeX GmbH. Daher entwickelt MeFeX Software-Tools, die Faserschichten und Kreuzungsmuster präzise berechnen können, um die Auslegung der FVW-Hochdruckbehälter zu optimieren.


Wasserstoff in Farbe sehen

Das Gas Wasserstoff ist für das menschliche Auge unsichtbar. Der Mensch reagiert dafür umso sensibler auf Farben. „Daraus entstand die Idee einer optischen Wasserstoffampel, die in Echtzeit austretenden Wasserstoff anzeigt und dadurch Unfälle und Explosionen verhindern kann“, sagt Jakob Reichstein vom Department Chemie und Pharmazie der Universität Erlangen. Den Indikator der Ampel bilden poröse Suprapartikel aus Nanobausteinen. Wasserstoff reagiert mit dem katalytisch aktiven Bestandteil der Silika-Partikel und mobilisiert dadurch die enthaltenen Farbstoffmoleküle. Als Folge wechselt die Farbe von Lila nach Pink und von Pink zu Farblos. Das gelingt laut Reichstein in einem weiten Konzentrationsbereich zwischen 0,2 und 66 Prozent Wasserstoffgehalt.

Verschwindet der Wasserstoff, werden die farblosen Partikel wieder pink, aber nicht mehr lila. Dadurch kann der Indikator Lecks in Echtzeit sichtbar machen, aber auch im Nachhinein präzise lokalisieren. „Werden Additive dem Material zugemischt, kann der Indikator in vielen Bereichen eingesetzt werden“, betont Reichstein. Beispielsweise als Sicherheitspigment in Textilien oder für die Beschichtung von Gasleitungen an Tankstellen.


Sind die Netze H2-ready?

Beim Wasserstoffnetz beginnen Europa und Deutschland nicht bei Null. „Die bestehenden Fernnetze in Europa können zum großen Teil für die Verteilung von wasserstoffhaltigen methanreichen Gasen und für Wasserstoff genutzt werden“, sagt Stefan Griesheimer, Produktmanager beim Rohrhersteller Aliaxis Deutschland GmbH. Man habe in einigen EU-Ländern viel Erfahrung mit dem Transport von H2 über Hochdruck-Stahlleitungen.

Im Gasnetz für den Nahbereich bestehen die Rohre meist aus Polyethylen. Pilotprojekte zeigen, dass die Beimischung von bis zu 35 Prozent H2 weder für Rohre noch für Messeinrichtungen Probleme bereitet, aktuell liegt die Beimischungsquote in der Regel bei bis zu 20 Prozent. Egal, ob Fern- oder Nahleitungen: Die Netze dienen nicht nur dem H2-Transport. Sie können zudem als eine Art Energiespeicher fungieren, indem überschüssiger Ökostrom in Elektrolyseanlagen eingespeist wird, um Wasserstoff zu erzeugen.


Prüfkörper im Test

Neben Rohren braucht eine Wasserstoffinfrastruktur eine Vielzahl weiterer Komponenten – z.B. Dichtungen, Ventile oder Druckminderer. Auch deren Werkstoffe müssen auf H2-Verträglichkeit unter Druck geprüft werden. Für die Analyse der mechanischen Werkstoffeigenschaften gibt es drei verschiedene Methoden – die Prüfung in einem mit H2 gefüllten Autoklaven und die Hohlprobentechnik, bei dem eine Bohrung im Bauteil mit dem Gas gefüllt wird. Bei der dritten Methode wird eine Vollprobe mit H2 vorbeladen und dann analysiert.

Alle drei haben Vor- und Nachteile. Die Autoklavmethode ist etabliert und arbeitet mit standardisierten Proben. Am Druckwasserstoffprüfstand des Fraunhofer LBF untersuchen Forscher beispielsweise Pipeline-Stahl mit geringem Kohlenstoffgehalt mit der Autoklav-Methode. Dabei zeigt sich durch den Einfluss des Wasserstoffs eine Minderung der Lebensdauer insbesondere unter zyklischer Belastung des Werkstoffs.

„Die Hohlprobentechnik hat deutlich geringere Peripheriekosten und liefert schneller Ergebnisse“, betont Thorsten Michler, Gruppenleiter Hydrogen Applications beim Fraunhofer IWM. Allerdings ist bei dieser Methode die Probengeometrie unterschiedlich, damit sind die Messergebnisse nur bedingt mit der Autoklavmethode vergleichbar. Prüfungen mit gasgesättigten Proben sind ebenfalls deutlich günstiger, ergibt laut Michler aber nur für austenitische Stähle Sinn, bei denen das Gas während der Messungen nicht herausdiffundiert.


Wenn Stähle in die Knie gehen

Wie H2-verträglich sind Stähle? Diese Frage beschäftigt Materialprüfer und Automobilzulieferer intensiv, da Stahl auch bei der Elektromobilität eine große Rolle spielt. Die Robert Bosch GmbH untersucht die Ermüdung von wasserstoffexponierten Stählen, die für verschiedene Bauteile der Brennstoffzelle im Fahrzeug verwendet werden. Beim Stahl, so haben Versuche gezeigt, kommt es auf die Modifikation des Eisens an. Die verschiedenen Kristallstrukturen des Eisens reagieren auf Temperatur und zyklische Belastung (durch das Tanken) unterschiedlich und zeigen Abweichungen in der Dauerfestigkeit. „Mit unserem Modell lassen sich Zugfestigkeit und Dauerfestigkeit für den Betrieb des Fahrzeugs zumindest abschätzen“, sagt Kathrin Bauer-Troßmann von der Abteilung Component Design bei Bosch.

Auch hochfeste Stähle sind nicht gegen H2 gefeit. Unter Wasserstoffeinfluss beschleunigt sich die sogenannte Spannungsrisskorrosion – das Material bricht schneller. Dahinter stecken zwei mögliche Mechanismen: Wasserstoff sammelt sich an Achsen höchster Spannungskonzentration und senkt die Bindungsenergie im Gefüge. Zudem interagieren H2-Atome mit Versetzungen im Werkstoff. Diese Versetzungen geraten in Bewegung und führen zu Mikrorissen und Schäden. Wichtig für die Auslegung und Bewertung hochfester Bauteile: „Es gibt keinen allgemein kritischen H2-Gehalt und keine eindeutige Festigkeitsgrenze für Stähle“, betont Professor Matthias Oechsner, Direktor der Materialprüfungsanstalt MPA der TU Darmstadt. Daher brauche es auch in Zukunft experimentelle Untersuchungen, mikrostrukturelle Analysen und wissensbasierte Modellierungen, um wasserstoffbedingte Ausfälle von Material und Bauteilen so klein wie möglich zu halten.

 

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Die Online-Veranstaltungsreihe „Materials to RePowerEU“ von Materials Valley und dem Technologieland Hessen beleuchtet zentrale Fragen für eine klimaverträgliche Energieversorgung in Europa: Welche Materialinnovationen, neuen Technologien und Fortschritte bei Fertigung, Betrieb, Transport und Nutzung braucht ein RePowering von Deutschland und der EU? Wo auf dem Weg stehen derzeit Forschung und Industrie?
Beim nächsten Termin der Veranstaltungsreihe am 17. März 2023 steht das Thema Wasserstoff für die Mobilität im Mittelpunkt. Programm und Anmeldung
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Simon Schneider
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    Der Verein Materials Valley e.V. wurde im Frühjahr 2002 unter der Beteiligung von Industrieunternehmen, Hochschulen, Forschungsinstituten, Institutionen der Länder zur Förderung von Technologie und Wirtschaft und Privatpersonen gegründet. Ziel des Vereins ist die Profilierung der Region Rhein-Main als High-Tech Standort für Materialforschung und Werkstofftechnologie. Dies beinhaltet den Ausbau von Wissensnetzen zu einem langfristig angelegten Forschungsverbundnetz zwischen den wissenschaftlichen Instituten und Unternehmen der Region sowie zwischen Unternehmen als Grundlage für Kooperationen, gemeinsame Forschung und Entwicklung.

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