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06.07.2023

Mit RNAi gegen gefährliche Stechmücken

Neue umweltschonende technologische Entwicklung gegen Krankheitserreger

Ein hessisches Forscherteam –darunter ISOE-Forscherin Marion Mehring – zeigt, wie die weitere Ausbreitung diverser Stechmückenarten aus tropischen und asiatischen Regionen gezielt und umweltschonend verhindert werden kann.

Mit der warmen Jahreszeit beginnt in Europa wieder die Hochsaison der Stechmücken. Während sie und ihre Larven vielen Tieren als Beute dienen und sie damit eine wichtige Rolle im Ökosystem einnehmen, empfinden Menschen die kleinen Blutsauger eher als lästig. Mittlerweile können sie uns jedoch auch gefährlich werden. Denn zunehmend kommen in Mitteleuropa Stechmücken aus tropischen und asiatischen Regionen vor. Diese können unter anderem das Zika- oder das West-Nil-Virus übertragen, die gefährliche Fiebererkrankungen auslösen. Ein Team hessischer Wissenschaftler*innen –darunter ISOE-Forscherin Marion Mehring – zeigt, wie die weitere Ausbreitung dieser Stechmückenarten gezielt und umweltschonend verhindert werden kann.

Von den weltweit etwa 3.500 Arten von Stechmücken sind rund 100 Arten in Europa heimisch. Doch es werden mehr: Begünstigt durch den globalen Handel und den Klimawandel siedeln sich hier vermehrt invasive Arten wie die Asiatische Tigermücke, der Japanische Buschmoskito oder die Gelbfiebermücke an. Sie bringen die Fähigkeit mit, Viren ursprünglich tropischer Krankheiten zu übertragen: Während sich das West-Nil-Virus bereits in Deutschland etabliert hat, breiten sich aus dem Mittelmeerraum auch Dengue- und Gelbfieberinfektionen nach Norden aus.

Die Bekämpfung von invasiven Stechmücken, deren Larven sich im Wasser entwickeln, ist jedoch nicht nur technologisch, sondern auch hinsichtlich gesellschaftspolitischer Aspekte eine große Herausforderung. Denn Neuerungen bei Gesetzen und Verordnungen im Zuge des „Aktionsprogramms Insektenschutz“ der deutschen Bundesregierung schränken den Einsatz von Pestiziden besonders in und an Gewässern ein. Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Stechmücken wird vom überwiegenden Teil der Bevölkerung abgelehnt. Doch auf welchem Weg kann dann die Gesundheit der Menschen geschützt werden?

„Feuerwehr“ gegen gefährliche Stechmücken

In einem in der Zeitschrift „Biotechnology Advances“ veröffentlichten Artikel zeigt ein Konsortium von hessischen Forscher*innen um das LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik mit einer neu von ihnen entwickelten Technologie einen Ausweg aus diesem Dilemma zwischen Natur- und Gesundheitsschutz auf. Ihr gemeinsames Ziel ist der Aufbau einer Art Feuerwehr gegen tropische Krankheiten, die von Stechmücken übertragen werden. Das Forschungsteam, dem auch Marion Mehring vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung angehört, zeigt, wie die weitere Ausbreitung invasiver Stechmückenarten gezielt und umweltschonend verhindert werden kann.

Eine effiziente Überwachung der Ausbreitung von Stechmücken und Viren ermöglicht dabei zunächst die genetische Analyse von Gewässerproben, sogenannter „Umwelt-DNA“. Dafür wurden im Team bereits die Genome verschiedener eingewanderter Stechmücken sequenziert, um Verfahren zu entwickeln, die ähnlich wie ein PCR-Test einen sicheren Nachweis ermöglichen. In einem zweiten Schritt kommt die neue Technologie der „RNA-Interferenz“ zum Einsatz, bei der den Stechmückenlarven im Verbreitungsgebiet Nahrung zur Verfügung gestellt wird, die doppelsträngige Ribonukleinsäuren – kurz RNAs.

Umweltschonende Technologie gegen Krankheitserreger

Diese wichtigen Informations- und Funktionsträger, die in jeder Zelle von Lebewesen vorkommen, entfalten ihre Wirkung dann über den Darm der Larven und schalten einige ihrer zum Überleben wichtigen Gene aus. Die Vorteile dieser Methode bestehen darin, dass die RNA-Moleküle so hergestellt werden können, dass sie nur gegen die jeweilige Stechmückenart wirken und weder andere Insektenarten noch den Menschen gefährden. Zudem entstehen bei ihrem Abbau in der Umwelt keine giftigen Rückstände. Mit dieser Methode werden keine gentechnisch veränderten fortpflanzungsfähigen Stechmücken erzeugt.

Die gemeinsame Publikation des Autor*innen-Teams gibt Empfehlungen, wie die RNA-Interferenz, kurz RNAi, als innovative und umweltschonende Technologie für die Kontrolle sogenannter Vektoren – Krankheitserreger übertragender Lebewesen – in Europa zur Marktreife entwickelt werden kann. Auf RNAi basierende Sprays werden auch gegen Schadinsekten wie den Kartoffelkäfer entwickelt und sollen bald als umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Pestiziden auf den Markt kommen, beschreiben die Autor*innen die vielversprechenden Einsatzmöglichkeiten der neuen Methode.

Von der Marktreife zur gesellschaftlichen Akzeptanz

Damit die neue Technologie erfolgreich angewendet werden kann, braucht es aber auch die Mithilfe von Bürger*innen. ISOE-Biodiversitätsforscherin Marion Mehring empfiehlt deshalb, Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz mit in die Entwicklung und Umsetzung der neuen Technologie zu nehmen: Wie kann das Risiko- und das Problembewusstsein für die Bekämpfung der gefährlichen Stechmücken in der Bevölkerung erhöht werden? Wie können Bürger*innen dazu aktiviert werden, die neue Technologie auch selbst anzuwenden? Denn für die konsequente Bekämpfung der Stechmücken sind zum Beispiel die Besitzer*innen von Gärten gefragt – dort ist das Vorkommen der gefährlichen Stechmücken besonders hoch.

Derzeit forschen Teams des Konsortiums zur Entwicklung doppelsträngiger RNAs, die besonders gut zur Mückenbekämpfung und Virenkontrolle geeignet sind. Federführend arbeitet Andreas Vilcinskas, Leiter des Institutsteils Bioressourcen am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Gießen an einer Lösung. Zum Team gehören beteiligte Partner-Institutionen wie die Goethe-Universität Frankfurt am Main, die Justus-Liebig-Universität Gießen, die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Institut für Tropenmedizin im belgischen Antwerpen sowie das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung.

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