So gelingt die Kreislaufwirtschaft

Klimawandel, Energiekrise und der zunehmende Eintrag von Abfall in unsere Umwelt verlangen eine schnelle Transformation der Industrie in Richtung Kreislaufwirtschaft.
Mit der neuen Reihe „Wege zur Circular Economy in Hessen“ beschleunigt das Technologieland Hessen den Wandel. Der gelungene Auftakt fand unter dem Titel „Kooperation als Schlüsselelement“ am 2. November in der IHK Darmstadt statt.

Geschlossene Stoffkreisläufe bilden die Basis für eine nachhaltige Zukunft. Es gehe aber nicht nur um Recycling, sagte Christian Jöst, Vizepräsident der IHK Darmstadt, zum Start der neuen Veranstaltungsreihe, sondern auch um die Vermeidung von Abfällen und die Steigerung der Lebensdauer von Produkten. Mit der Förderung von Kooperationen will die IHK Innovationen beschleunigen. Der Wandel in den Köpfen brauche zwar Zeit, meinte Jöst, aber davon bleibe immer weniger.

Ein schnelles Umdenken ist auch angesichts der geopolitischen Situation geboten, wie Dr. Felix Kaup vom Technologieland Hessen betonte: „Die Kreislaufwirtschaft bietet die Chance, Abhängigkeiten zu reduzieren.“

Dr. Katharina Reuter vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, online zugeschaltet aus Berlin, sieht in der Circular Economy zudem Kostenersparnisse und Wettbewerbsvorteile. „Da ist noch Luft nach oben“, fasste sie den aktuellen Stand zusammen und nannte als ein Beispiel Verpackungsabfälle („Gelber Sack“), von denen noch mehr als die Hälfte verbrannt werde. Neben Instrumenten wie Ökodesign-Richtlinien, Plastiksteuer und digitalen Produktpässen hob sie die Bedeutung von Partnerschaften hervor: „Die Circular Economy gelingt nur kooperativ.“

Impressionen der Veranstaltung am 2. November 2022
Das Netzwerk SuPRA: Nachhaltigkeit in der Kunststoffbranche

Wie erfolgreiche Zusammenarbeit von Hochschulen, Unternehmen und Multiplikatoren funktioniert, schilderten IHK-Vertreter Dr. Jan Henning Curtze und Jens Memmesheimer von der Jöckel Innovation Consulting GmbH anhand des Netzwerkes SuPRA (Sustainable Plastics, Recycling & Automation). „Zwischenmenschliche Faktoren sind entscheidend“, unterstrich Memmesheimer, der SuPRA und andere Netzwerke berät. Als Erfolgsfaktoren nannte er Offenheit und ein Agieren auf Augenhöhe, während Einzelkämpfertum und fehlender Mut zur Veränderung die Zusammenarbeit ebenso erschwerten wie ein unterschiedliches Verständnis vom Wert und Ziel einer Kooperation.

Als SuPRA-Mitglied stellte sich anschließend die Biowert Industrie GmbH vor. Geschäftsführer Jens Meyer zu Drewer erklärte zunächst, wie sein Unternehmen aus Wiesengras und recyceltem Polypropylen einen faserverstärkten Kunststoff produziert. Im Rahmen von SuPRA entwickelt Biowert zusammen mit der Hochschule Darmstadt neue Materialien und testet den Einsatz weiterer Grassorten. Außerdem kooperiert Biowert mit der nahegelegenen Cortec GmbH, die aus dem Kunststoff recycelbare Kleiderbügel fertigt, etwa für die Drogeriemarktkette dm. Verglichen mit konventionellen Plastikbügeln setzt deren Herstellung rund 64 Prozent weniger CO2 frei.

Besseres Matching von Partnern gewünscht

„Let’s create value instead of waste“ lautet der Leitspruch von Claudia Allonas, Gründerin des Startups Upstream. Gemeinsam mit ihren Kunden entwickelt sie Ideen für das Up- oder Recycling und vermittelt Kontakte, etwa zu Designbüros, Produktionsstätten und Handelsplattformen für Recyclingmaterialien. „Bislang sind nur zehn Prozent der in der industriellen Produktion eingesetzten Materialien Sekundärrohstoffe“, kritisierte sie, obwohl Ressourcenbedarf und Abfallmengen weltweit stetig wachsen. Viele Unternehmen würden ihre Abfallströme und -mengen nicht nennen, bemängelte Allonas: „Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft müssen solche Dinge veröffentlicht werden, um das Matching von potenziellen Partnern zu erleichtern.“

Lucas Fuhrmann, Gründer der Revoltech GmbH, die ein biologisch abbaubares Lederimitat aus Agrarreststoffen herstellt, hat Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette gefunden. Mit der Technischen Universität Darmstadt, die Labore und Pilotanlagen zur Verfügung stellt, kooperiert das Startup auf der Forschungs- und Entwicklungsebene. In der Produktion wiederum arbeitet Revoltech mit einem Mittelständler und bei der Testung des Lederersatzes mit einem großen Automobilhersteller zusammen. Fuhrmann lobte die Strukturen und Fördermöglichkeiten für Startups im Umfeld der Technischen Universität Darmstadt. Sie seien deutlich besser als in Großbritannien, wo er zuvor als Gründer aktiv war.

Urban Mining in der Bauwirtschaft

Bei der Umstellung auf die Circular Economy spielt die Bauwirtschaft eine entscheidende Rolle. Im Jahr 2020 fielen in Deutschland fast 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle an. Das entspricht über 55 Prozent des deutschen Abfallaufkommens. „30 Prozent der globalen CO2-Emissionen und 40 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs gehen auf den Bausektor zurück“, erklärte Maria Ertl vom Hessischen Umweltministerium. Als Beispiel für zirkuläres Bauen stellte sie ein Modellprojekt der Stadt Korbach vor. Ein aus den 1970er-Jahren stammender Anbau des dortigen Rathauses wurde abgerissen und diente als „urbane Mine“ für einen Neubau an gleicher Stelle. In die Berechnung, wo und wie viel Abbruchmaterial wiederverwendet werden könne, sowie in die Logistik – das Altmaterial musste zur Aufbereitungsstelle und wieder zurück gelangen – sei „viel Hirnschmalz und Abstimmungsaufwand“ geflossen, sagte Ertl. Schließlich fanden rund 6.000 Tonnen und damit über 60 Prozent des Abbruchmaterials eine Verwertung im neuen Anbau.

Hilfreich für das zirkuläre Bauen ist die Cloud-Plattform Madaster, die Claudius Frank von der Madaster Germany GmbH vorstellte. In die Software tragen registrierte Nutzer die in ihren Gebäuden verwendeten Materialien und Bauteile ein. Sie erhalten einen Ressourcenpass, der das Recycling bei einem späteren Rückbau erleichtert. In Hessen kommt Madaster bei der Errichtung des Bürokomplexes Rockywood in Offenbach zum Einsatz. Das Tool erfasst aber auch bestehende Bauten. So unterstützt Madaster die Stadt Heidelberg im Pilotprojekt „Circular City“ bei der Analyse ihres gesamten Gebäudebestands.

Wie vielfältig Kommunen die Kreislaufwirtschaft antreiben können, erläuterte auch Wolfgang Krause, Betriebsleiter bei EAD, dem Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen der Stadt Darmstadt. EAD betreibt gemeinsam mit der Meinhardt Städtereinigung GmbH & Co. KG das Darmstädter Recyclingzentrum (DRZ), das aus Abfall zum Beispiel den Wärmedämm-Leichtbeton Thermozell herstellt. Aus kommunalen Grünschnitt und dem Siebüberlauf einer Kompostanlage wiederum gewinnt EAD Pflanzenkohle, etwa für die Bodenverbesserung oder neue Baumaterialien, und aus dem Urin, der in öffentlichen Trockentoiletten anfällt, soll demnächst Phosphor rückgewonnen werden.

Den Abschluss der Praxisbeispiele machte Julian Odenthal von der ARCUS Greencycling Technologies GmbH. Er stellte eine Anlage für das chemische Kunststoffrecycling vor, die in Kürze im Frankfurter Industriepark Höchst in Betrieb gehen soll. Sie verfügt über 650 Messstellen. „Wir wollen damit eine Datenbasis zum chemischen Recycling schaffen“, erläuterte Odenthal, um festzustellen, welche Rolle das Verfahren in der Kreislaufwirtschaft spielen könne. In der Frankfurter Anlage sollen jährlich 4.000 Tonnen Kunststoffabfall, der explizit nicht dem mechanischen Recycling zugeführt werden kann, bei rund 500 Grad Celsius zu einem Öl pyrolysiert werden. Im ersten Schritt werden anfallenden Produktgase zur Deckung des hohen Energiebedarfs der Anlage genutzt. Hierdurch gehen jedoch hochwertige Rohstoffe verloren. Im zweiten Schritt, so betont Odenthal, sollen daher durch energetische Optimierung und Einsatz von erneuerbaren Energien auch diese Produkte zurück in den Stoffkreislauf fließen.

Weniger Regulierung, mehr Zusammenarbeit

In der abschließenden Podiumsdiskussion machten Claudia Allonas (Upstream), Helena Fischer (Bauindustrieverband Hessen-Thüringen), Dirk Breitkreuz (Wetropa Kunststoffverarbeitung GmbH & Co. KG) und Eric Rehbock (Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung) deutlich, dass der Wille zum nachhaltigen Wirtschaften in nahezu allen Industriezweigen wächst. Selbst in der Baubranche komme Fahrtwind auf, unterstrich Fischer. Noch mehr Regulierung scheint für die Transformation aber nicht zielführend zu sein. Durch den Wust an Regularien blicke schon jetzt niemand mehr durch, sagte Breitkreuz. Rehbock beklagte, dass Deutschland auf die EU-Vorgaben „immer noch eins oben drauf setze“.

Weniger Regulierungen, die dann auch klarer in der Umsetzung sind, und mehr Partnerschaften – das wünschten sich alle Teilnehmenden der Diskussionsrunde. Mit Kooperationen und Vertrauen, fasste Allonas zusammen, eröffneten sich neue Wertschöpfungsketten und Alternativen zum linearen Wirtschaften. Die neue Veranstaltungsreihe trägt dazu bei. Nach dem gelungenen Auftakt wird sie in 2023 mit weiteren Veranstaltungen fortgesetzt.

Programm zur Veranstaltung "Kooperation als Schlüsselelement" am 2.11.2022 in der IHK Darmstadt.
Foto: Dagmar Dittrich
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