Hessischer Ressourceneffizienz Kongress 2018

Die Digitalisierung stellt eine große Chance für die ressourceneffiziente Produktion dar", betonte Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir am 12. April zur Eröffnung des Hessischen Ressourceneffizienz-Kongresses in Frankfurt. „Wenn wir digitale Technologien richtig einsetzen, erhöhen diese nicht nur die wirtschaftliche Dynamik, sondern verringern auch unseren Ressourcenverbrauch“, sagte der Minister und sprach sich dafür aus, vorhandene Potenziale effektiv zu nutzen. „Wie eine aktuelle Studie zeigt, konnten bereits 34 Prozent der hessischen Unternehmen durch digitale Technologien und Anwendungen ihren Materialverbrauch reduzieren“, so Al-Wazir.

Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutierten auf dem Kongress, wie sich das in der Praxis umsetzen lässt. Zahlreiche Unternehmen stellten konkrete Lösungsansätze vor, wie in ihren Produktionsprozessen Ressourcen dank digitaler Technologien geschont werden. Roland Mandler vom 2017 als „Hessen Champion“ ausgezeichneten Unternehmen OptoTech erläuterte, wie bei der Herstellung von Brillengläsern mithilfe digitaler Lösungen auf Werkstückträger verzichtet und damit mehrere Prozessschritte einspart werden. Von der Blechwarenfabrik Limburg präsentierten Dr. Hugo Trappmann und Annika Trappmann ihre Vision der „Null Energie-Fabrik“.

Mit ineinandergreifenden Förderangeboten unterstützt Hessen kleine und mittlere Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistung beim Produktionsintegrierten Umweltschutz (PIUS) und damit bei der Reduzierung von CO2-Emissionen. Spezielle PIUS-Beratungen zeigen konkrete Effizienzmaßnahmen auf, deren Realisierung das Land mit bis zu 30 Prozent bezuschusst. Verbleibende Investitionskosten können über den Innovationskredit Hessen finanziert werden.

„Wir können zu Recht stolz darauf sein, eine intelligente Verknüpfung verschiedener Förderangebote geschaffen zu haben, die es den Unternehmen erleichtern, ressourceneffizienter zu produzieren“, erklärte Al-Wazir.

 

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Nachbericht

Wie steigern Unternehmen ihre Ressourceneffizienz? Welchen Beitrag leistet die Digitalisierung zum verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen? Und womit treibt Hessens Industrie den Wandel in eine nachhaltige Wirtschaft an? Solche Fragen diskutierten die rund 300 Teilnehmer des zweiten Hessischen Ressourceneffizienz Kongresses am 12. April 2018 im Kap Europa in Frankfurt am Main. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Hessen Trade & Invest GmbH im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums.

Wachsender Energie- und Rohstoffverbrauch

Im Sommer 2015 wurde in Frankfurt am Main erstmals mehr Strom verbraucht als im Winter, denn die vielen, in der Stadt ansässigen Rechenzentren treiben den Energiebedarf in die Höhe, wie Tarek Al-Wazir im Eröffnungsgespräch zum Hessischen Ressourceneffizienz Kongress 2018 erklärte. Man dürfe die Digitalisierung und den Verbrauch von Energie und Rohstoffen nicht getrennt betrachten, folgerte der hessische Wirtschaftsminister und hatte sogleich ein Positivbeispiel parat: Laut dem „Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL: Hessen“ senkten bereits 34 Prozent der hessischen Unternehmen ihren Ressourcenverbrauch durch den Einsatz von digitalen Technologien.

Mit zahlreichen Maßnahmen erleichtert das Land Hessen Unternehmen den Weg in eine nachhaltige Wirtschaft. Al-Wazirs Gesprächspartner Dr. Martin Vogt, Geschäftsführer des VDI Zentrums Ressourceneffizienz, bescheinigte Hessen sogar eine Vorreiterrolle im verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen. Auch Deutschland stehe diesbezüglich gar nicht so schlecht da, dennoch herrsche weiterhin Handlungsbedarf, unterstrich Al-Wazir und fügte an: „Der Welterschöpfungstag wird 2018 wohl erstmals im Juli liegen.“ Soll heißen: Dieses Jahr wird die Menschheit im Juli bereits so viele natürliche Ressourcen verbraucht haben, wie der Planet Erde jährlich regeneriert. Vergangenes Jahr fiel der Welterschöpfungstag auf den 2. August, Anfang der 1970er-Jahre lag er noch im Dezember.

Wandel erforderlich

Dass globale Herausforderungen eine internationale Zusammenarbeit erfordern, machte Dr. Janez Potočnik, ehemaliger EU-Kommissar und jetzt Co-Vorsitzender des International Resource Panel des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, im Anschluss an das Eröffnungsgespräch deutlich. Wegen eines Unfalls musste er seine Teilnahme vor Ort kurzfristig absagen, wandte sich aber mit einer Videobotschaft an die Kongressteilnehmer. Darin forderte er einen grundlegenden Wandel – weg von einem Wirtschaftssystem, das Humankapital nicht genügend und das Kapital der Natur gar nicht würdigt, hin zu einer Kreislaufwirtschaft, die Ressourcen möglichst lange und mit ihrem größtmöglichen Wert im Produktions- und Konsumzyklus hält. Das Wirtschaftswachstum müsse dabei vom Ressourcenverbrauch und den negativen Folgen für die Natur entkoppelt werden. Potočnik regte eine UN-Konvention zum Umgang mit natürlichen Rohstoffen an, entsprechend den Konventionen zum Klimawandel oder zur Biodiversität.

Nicht nur Politik und Wirtschaft, auch die Konsumenten stehen in der Verantwortung. „Wir geben Geld aus, das wir noch nicht verdient haben, um Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen, und um Leute zu beeindrucken, die wir nicht einmal mögen“, brachte es der Wahlfrankfurter und Wirtschaftsphilosoph Anders Indset in seinem Impulsvortrag auf den Punkt. Er forderte eine Bewusstseinsrevolution und eine neue Weltanschauung, denn die alten Modelle griffen nicht mehr, wenn wir Autorität an Algorithmen übertrügen.

Pioniere im All und in Hessen

Während wir auf der Erde verschwenderisch mit Rohstoffen umgehen, werden in der Raumfahrt seit jeher Gewicht und Material gespart. Dinge, die ins All transportiert werden, fertige man deswegen in ressourcenschonender Leichtbauweise, erklärte Dr. Rolf Densing von der Europäischen Weltraumagentur ESA, deren Darmstädter Kontrollzentrum er leitet. Auch Energieverschwendung kann sich im Weltraum niemand leisten. Daher sind die im All eingesetzten Solarzellen leistungsstärker als jene auf der Erde. Sie erreichen Wirkungsgrade von teils über 30 Prozent und sind obendrein deutlich leichter, allerdings auch sehr teuer. Ihr Einsatz in Raumfahrzeugen lohnt sich dennoch wirtschaftlich, zumal jedes Kilogramm, das ins Orbit gebracht wird, extrem hohe Kosten erzeugt. Bleibt zu hoffen, dass die hocheffiziente Technik Einzug in die irdische Nutzung erneuerbarer Energien hält.

Satelliten dienen schon heute dem Umweltschutz: Sie messen etwa den Meeresanstieg oder die weltweite Verteilung von Stickoxiden und tragen zum Ressourcenschutz bei. So können Landwirte mit Hilfe von Umweltsatelliten ihre Äcker kartieren, den Düngebedarf steuern und einer Überdüngung vorbeugen – angesichts der drohenden Verknappung von Phosphor eine hilfreiche Maßnahme.

Ressourcenschonende Brillengläser

Im Anschluss an Densings Vortrag präsentierten zwei hessische Unternehmen ihre Erfolgsbeispiele. Optotech aus Wettenberg bei Gießen hat ein ressourcenschonendes Fertigungsverfahren für Brillengläser entwickelt und wurde dafür 2017 als „Hessen Champion“ ausgezeichnet. Wie Bereichsleiter Thomas Krausgrill in Frankfurt erläuterte, werden die Brillenglas-Rohlinge auf der Rückseite üblicherweise mit einer Legierung aus Blei, Cadmium und Seltenerdmetallen versehen, um sie in die Bearbeitungsmaschinen einspannen zu können. Die Schwermetalle sind nicht nur gesundheitsschädlich, der Prozess erfordert zudem viel Energie, da die Legierung unter Wärmezufuhr aufgebracht und wieder entfernt wird. Zwar lassen sich die Metalle recyceln, produktionsbedingt geht aber pro Brillenglas ein halbes Gramm der Legierung verloren – weltweit gelangen so jährlich 500 Tonnen Schwermetalle in die Umwelt, rechnete Krausgrill vor. Ein alternatives Verfahren mit einer Kunststoffhalterung führt jährlich zu 12.000 Tonnen Plastikmüll. Die von Optotech entwickelte Anlage hingegen hält den Brillenglas-Rohling mit Vakuum und Spannbacken fest und gibt ihn per Pressluft wieder frei. Obwohl Optotechs Technik zukunftsträchtig ist, fällt die Markteinführung schwer, da die meisten Brillengläser derzeit kostengünstig in Asien gefertigt werden. Mit den neuen Anlagen könnten die Gläser zukünftig direkt beim Optiker hergestellt werde, wie dies in einem so genannten Flagship-Store in Heidelberg bereits passiert. Um in eine breite Umsetzung zu kommen, hat Optotech Kontakt zu klassischen Optikketten aufgenommen.

Null-Energie-Fabrik

Die Blechwarenfabrik Limburg, Hersteller von Dosen und anderen Behältern für chemisch-technische Füllgüter, produziert hierzulande so erfolgreich, dass sie expandiert. Mit dem neuen, noch im Bau befindlichen Firmensitz strebe man eine automatisierte Null-Energie-Fabrik an, in der keine Dose mehr von Hand angefasst werde, teilte Marketing-Leiterin Annika Trappmann in Frankfurt mit. Die Produktionkapazität soll nach dem Umzug bei unveränderter Mitarbeiterzahl um 50 Prozent steigen. Heizen und kühlen wird das Unternehmen zukünftig ausschließlich über Prozesswärme. Eine Photovoltaikanlage auf dem Fabrikdach wird 90 Prozent des Eigenverbrauchs decken, eine Senkung des Energiebedarfs um die Hälfte ist angestrebt. Die Automatisierung soll zudem Rohstoffe sparen, etwa über eine Minimierung des Ausschusses. Ein Kreislaufsystem hat das Unternehmen bereits etabliert: Leere Blechbehältnisse geben die Kunden zum Recycling zurück.

Globaler Metallverbrauch

Den Vorteil, dass sich Metalle nahezu unbegrenzt wiederverwerten lassen, betonte auch Dr. Josef Auer von Deutsche Bank Research in seinem Vortrag. Er konzentrierte sich auf Nichteisenmetalle wie Kupfer, die zwar nicht knapp, aber unverzichtbar sind und sich in den vergangenen Jahren verteuert haben oder im Preis schwanken. Der globale Materialverbrauch steige aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung dramatisch an, gab Auer als Begründung an und erwähnte zudem, dass die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 noch immer zu spüren seien. Engpässe entstünden auch dadurch, dass von der Planung bis zur Inbetriebnahme neuer Bergwerke rund zehn Jahre vergingen. Auer prognostizierte, dass sich der Markt für Industriemetalle weiter erholen werde. Da viele Metalle aus Schwellenländern oder politisch instabilen Regionen stammen, forderte er eine international abgestimmte Rohstoffpolitik, um die Ressourcensicherheit und den Umweltschutz zu verbessern.

Vernetzung und Digitalisierung als Schlüssel

Ob zwischen verschiedenen Ländern oder Branchen, zwischen Wirtschaft und Wissenschaft oder den Akteuren entlang von Wertschöpfungsketten: Zusammenarbeit und vernetzte Kompetenzen sind die Schlüssel zu mehr Ressourceneffizienz. Darin waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion am Nachmittag des Kongresstages einig. Professorin Liselotte Schebek von der Technischen Universität Darmstadt verwies darauf, dass Betriebe oft nicht wüssten, woher genau ihre Rohstoffe stammten bzw. welche Rohstoffe bei komplexen Produkten überhaupt zum Einsatz kommen. Diese Informationen müssten ihnen zugänglich gemacht werden. Dass es in Industriekreisen außerdem noch an Wissen in puncto Materialeffizienz mangele, ergänzte Naemi Denz, Mitglied der Hauptgeschäftsführung im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Die Digitalisierung könne einen entscheidenden Beitrag zu mehr Transparenz zu leisten.

Die Diskussionsrunde, an der neben Schebek und Denz auch Dr. Hugo Trappmann, Gesellschafter der Blechwarenfabrik Limburg, sowie Carl-Ernst Müller, Koordinator der neuen Kompetenzplattform nachhaltig.digital, teilnahmen, widmete sich vor allem der Frage, ob die Digitalisierung Ressourcen schone oder gar zu einem höheren Verbrauch führe. Trappmann sieht in der Digitalisierung durchaus einen Weg, Rohstoffe zu sparen. Ressourcen sind für ihn „Dinge, die Geld kosten“ und schon deswegen lohne es sich, Prozesse mit Hilfe der Digitalisierung effizienter zu gestalten. Schebek hingegen stellte fest, dass sich die Dringlichkeit des Ressourcenschutzes noch nicht ausreichend in den Kosten spiegele und dass „viele Unternehmen Digitalisierung und Ressourceneffizienz noch nicht zusammen denken“. Müller brachte einen weiteren Aspekt ins Spiel: Machen die Endverbraucher alle Bemühungen um Ressourcenschutz durch ihren Konsum zunichte? Als plakatives Beispiel führte er an, dass ein Handy zwar weniger Material benötige als eine Telefonzelle. Da aber fast jeder ein Handy besäße und meist schon nach zwei Jahren gegen ein neues Modell eintausche, sei für den Ressourcenschutz nichts gewonnen. Vielleicht muss auch die Industrie ihre Ansprüche zurückschrauben: „Wenn wir weiterhin jedes Jahr Wachstum verzeichnen wollen, werden wie nie etwas einsparen“, meinte Trappmann.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion gaben fünf parallele Foren Einblicke in Geschäftsmodelle, Strategien und Technologien, die den Weg in eine ressourceneffiziente Wirtschaft ebnen.

Forum „Effiziente Produktion“

Massive Einsparungen erhoffen sich verschiedenste Branche von der additiven Fertigung, besser bekannt als 3D-Druck. Im Forum „Effiziente Produktion“ stellte Stephan Kegelmann sein Unternehmen Kegelmann Technik vor, das Bauteile für technische Anlagen und andere Investitionsgüter per additiver Fertigung produziert. Die Deutsche Bahn beispielsweise hält Ersatzteile im Wert von rund 600 Millionen Euro auf Lager – jetzt lässt sie abgebrochene Kleiderhaken und mehr bei Bedarf von Kegelmann ersetzen. Das spart Lagerplatz, Material und Kosten, denn statt der Ersatzteile, die vielleicht gar nicht benötigt werden, müssen nur noch ihre digitalen Baupläne vorgehalten werden.

Dr. Martin Hillebrecht von EDAG Engineering hob hervor, dass sich mit der additiven Fertigung filigrane, der Natur nachempfundene Strukturen herstellen lassen, zum Beispiel leichte und dennoch extrem stabile Komponenten für den Maschinen- und Automobilbau. Dadurch sinken nicht nur Material-, sondern auch Produktionskosten: So arbeitet Daimler dank der leichten Bauteile jetzt mit kostengünstigeren Fertigungsrobotern.

Dass eine effiziente Produktion den Standort Deutschland sichert, machte auch Dr. Ralf Meyer von Viessmann aus Allendorf deutlich. Mit Maßnahmen der Effizienzsteigerung – darunter der Aufbau einer eigenen Versorgung mit Energie aus Solarkraft und Biogas sowie die Nutzung von Abwärme aus Testanlagen und IT-Servern – konnte der Hersteller von Heiz-, Kühl- und Industrietechnik sogar den bedrohten Firmensitz in Nordhessen halten. Grundlage bildete ein Nachhaltigkeitspakt, den das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern geschlossen hatte: Sie leisteten über einen begrenzten Zeitraum unentgeltliche Mehrarbeit. Im Gegenzug investierte Viessmann erhebliche Summen in die Modernisierung. Jetzt ist das Unternehmen wieder wettbewerbsfähig – und die Mitarbeiter tanken kostenlos Strom für Elektrofahrzeuge.

Forum „Effiziente Infrastruktur“

Auf nachhaltige Gebäude sowie auf den energieeffizienten Betrieb von Rechenzentren gingen Christian Hämmerle vom Architekturbüro Snøhetta in Innsbruck und Staffan Reveman von der Revemann Energy Academy in Baden-Baden im Forum „Effiziente Infrastruktur“ ein. „Ressourcen, die einem an die Hand gegeben werden, müssen mit Respekt behandelt werden“, sagte Hämmerle und betonte, dass man bei Bauten vom Design bis zur Fertigstellung darauf achten solle, einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen.

In Sachen Energiemanagement lässt sich auch bei Rechenzentren noch einiges verbessern, denn deren Abwärme wird in Deutschland bisher kaum oder gar nicht genutzt. Dabei könnten die Rechenzentren die hohen Stromkosten hierzulande mit einem intelligenten Energiemanagement ausgleichen. In Schweden ist das bereits üblich, wie Reveman zeigte: Im IBM-Rechenzentrum in Kista bei Stockholm beispielsweise dient die Abwärme der Server zum Heizen von Büroräumen. Zudem fließt ein Teil der Abwärme ins Fernwärmenetz.

Forum „Neue Geschäftsmodelle“

Das Forum „Neue Geschäftsmodelle“ lieferte ebenfalls Impulse für den sparsamen Umgang mit Energie und anderen Ressourcen. Artur Borger von Fresh Energy aus Berlin präsentierte ein Smart Meter zur Analyse des Stromverbrauchs. Die zugehörige App klärt auf, wer oder was wann wie viel Strom verbraucht. Die Nutzer erkennen so Energiefresser und können Strom sparen, indem etwa die Waschmaschine nur in Phasen günstiger Strombereitstellung läuft. Auch Unternehmen können über die smarte Energienutzung Kosten senken – so macht die Digitalisierung neue Geschäftsmodelle möglich.

Michael Lohmeier von der Deutsche Post DHL Group und Michael Lindhof von Mobileeee aus Frankfurt wiederum gingen auf die Elektromobilität ein: Lohmeier stellte den E-Transporter von Streetscooter, einem Tochterunternehmen der Deutsche Post DHL Group, vor, der in Zusammenarbeit mit der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule Aachen unter Befragung von DHL-Fahrern entwickelt wurde. Die Fahrzeuge sind in zwei Größenklassen mit Reichweiten von rund 110 beziehungsweise 205 Kilometern erhältlich und verursachen verglichen mit Dieseltransportern nur etwa ein Drittel der Energiekosten. Auch die Sorge um Fahrverbote in Innenstädte hat sich damit erledigt. Das E-Carsharing-Konzept von Mobileeee, das sich speziell an Kommunen und Betriebe wendet, sorgt ebenfalls für mehr Nachhaltigkeit im Verkehr und ist kostengünstiger als ein eigener Fahrzeugpool.

Forum „Recycling“

Das Forum „Recycling“ wurde von der Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS organisiert und begleitet. Jürgen Gassmann, Abteilungsleiter für Magnetwerkstoffe beim IWKS, erläuterte in seinem Vortrag Verfahren zur Aufbereitung von Lithium-Ionen-Batterien und Permanentmagneten für E-Fahrzeugen. Lithium-Ionen-Akkus enthalten unter anderem Kobalt, das unter bedenklichen Bedingungen im Kongo gewonnen und bislang nur zu rund 50 Prozent wiederverwertet wird. Für das Batterierecycling schlug Gassmann die elektrohydraulische Zerkleinerung mit einer Hochspannungsentladung vor. Die dabei freigesetzten Schockwellen schwächen komplex zusammengesetzte Materialien vor allem an den Grenzflächen und trennen die verschiedenen Inhaltsstoffe selektiv. Bei der Aufbereitung von Permanentmagneten wiederum, den Herzstücken von Elektromotoren, setzen die Fraunhofer-Forscher auf eine Versprödung der Altmagnete mit Wasserstoff. Das so erhaltene Pulver kann zu neuen Magneten gepresst werden.

Das Biotech-Unternehmen Brain aus Zwingenberg sowie Fritzmeier Umwelttechnik aus Großhelfendorf bei München hingegen nutzen Mikroorganismen für die Rückgewinnung von wertvollen Metallen. Brain-Mitarbeiterin Ester Gabor stellte eine Pilotanlage namens BioXtractor vor, die Edelmetalle aus zerkleinertem Elektroschrott, Müllverbrennungsaschen und anderen gemahlenen Wertstoffen mit Hilfe von Bakterien isoliert. Noch landen jährlich bis zu drei Tonnen Gold und große Mengen anderer Metalle auf Deutschlands Straßen, da Abfallverbrennungsaschen teils Asphalt beigemischt werden.

Birgit Lewandowski von Fritzmeier Umwelttechnik präsentierte ebenfalls ein Bioleaching-Verfahren, das aber nicht nur Metalle, sondern auch Phosphor rückgewinnt. Die Technik klingt vielversprechend, zumal eine Novelle der Klärschlammverordnung das Ausbringen von Klärschlämmen auf Böden ab dem Jahr 2029 einschränkt, dafür aber zur Phosphor-Wiederaufbereitung verpflichtet.

Forum „Sensorik und Ressourceneffizienz“

Im Energiemanagement, in der Automatisierung von industriellen Verfahren und vielen anderen digitalisierten Prozessen spielen Sensoren eine Schlüsselrolle. Im Forum „Sensorik und Ressourceneffizienz“ präsentierten drei hessische Unternehmen – Jumo aus Fulda, Samson aus Frankfurt und BSC Computer aus Allendorf – intelligente Sensortechnik zur Steigerung der Ressourceneffizienz.

Sensorsysteme von Jumo kommen unter anderem in der Wasser-, Abwasser- und Umwelttechnik sowie im Bereich Erneuerbare Energie zum Einsatz. Jumo-Mitarbeiterin Ulrike Storm hob hervor, dass die Sensoren nicht so lange halten wie die zugehörige Elektronik. In Jumos Systemen sind die beiden Komponenten daher leicht voneinander trenn- und damit austauschbar.

Auf Sensoren, die mit Stellventilen in Rohrleitungen kommunizieren, ging Samson-Vertreter Guido König ein. Das Unternehmen hat den Wandel von analoger zu digitaler Mess- und Regelungstechnik vollzogen und bildet mit seinen smarten Systemen die Basis für die Automatisierung von industriellen Prozessen und Gebäudetechnik. Heizungsanlagen etwa lassen sich so via Internet von überall aus verwalten und steuern, dieFernauslesung von Reglern, Verbrauchszählern und weiteren Peripheriegeräte eingeschlossen.

Besonders praktisch sind die batterielosen Funksensoren, die Jörg Hofmann, Gründer von BSC Computer, vorstellte. Sie arbeiten energieautark nach dem Prinzip des Energy Harvesting und kommen bei der Hausautomation zum Einsatz. Sensoren, die beispielsweise den Öffnungszustand von Fenstern melden, werden über die Bewegung des Fenstergriffs mit kinetischer Energie versorgt.

Zögerliche Digitalisierung in der Umwelttechnik

Trotz der vielen guten Ideen und des Innovationswillens der Umwelttechnikunternehmen schreitet die Digitalisierung in diesem Sektor deutlich langsamer voran als zum Beispiel in der Unterhaltungsindustrie, dem Handel oder der Finanzbranche, wie Ralph Büchele von der Unternehmensberatung Roland Berger in dem Abschlussvortrag darstellte: Viele Unternehmen der Umwelttechnik zeigen sich zögerlich, da sie eine fehlende Datensicherheit fürchten. Dabei könnte die Branche besonders vom digitalen Wandel profitieren. Durch die digitale Transformation könnten die Kohlendioxid-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2025 um 50 Millionen Tonnen sinken – bei einem gleichzeitigen Anstieg des Marktvolumens der deutschen Umwelttechnikbranche um jährlich 20 Milliarden Euro. Im Energiesektor sei die Digitalisierung schon relativ weit fortgeschritten, sagte Büchele. Für die Steigerung der Rohstoff- und Materialeffizienz werde das Potenzial der Digitalisierung aber bislang zu wenig genutzt. „Seien Sie schneller als alle anderen“, gab Büchele der Umwelttechnikbranche mit auf den Weg und empfahl den Unternehmen die Entwicklung eines digitalen Leitbilds: Wie sieht die Welt in zehn Jahren aus? Und wie reagiere ich darauf?

Antworten auf diese Fragen, ebenso Denkanstöße und zahlreiche Praxisbeispiele lieferte der zweite Hessische Ressourceneffizienz Kongress reichlich.

Den Kuchen teilen

Zur Kurzweiligkeit der Veranstaltung trug nicht zuletzt Matthias Wesslowski bei, der wohl intellektuellste Zauberer und Feuerschlucker Deutschlands. Am Ende seiner Show, die direkt nach der Mittagspause für Aufmunterung sorgte, zauberte er einen Kuchen herbei und reichte ihn ins Publikum: „Jeder darf sich ein Stück nehmen, aber nicht so ein großes, damit es für alle reicht.“ Und siehe da: Als der Gugelhupf – oder Googlehupf – die Runde gemacht hatte, war tatsächlich noch etwas übrig. Die Botschaft ist eindeutig: So bescheiden sollen wir fortan auch mit den Ressourcen der Erde umgehen.

Autorin: Dr. Uta Neubauer

Weitere Informationen

Weitere Informationen erhalten Sie im Kompetenzfeld „Ressourceneffizienz und Umwelttechnologien“. Wir unterstützen den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Denn ressourcensparende Verfahren und umweltfreundliche Technologien sind sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll.

Nachbericht: Hessischer Ressourceneffizienz Kongress 2018

Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit

Wie steigern Unternehmen ihre Ressourceneffizienz? Welchen Beitrag leistet die Digitalisierung zum verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen? Und womit treibt Hessens Industrie den Wandel in eine nachhaltige Wirtschaft an? Solche Fragen diskutierten die rund 300 Teilnehmer des zweiten Hessischen Ressourceneffizienz Kongresses am 12. April 2018 im Kap Europa in Frankfurt am Main. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Hessen Trade & Invest GmbH im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums.

Wachsender Energie und Rohstoffverbrauch

Im Sommer 2015 wurde in Frankfurt am Main erstmals mehr Strom verbraucht als im Winter, denn die vielen, in der Stadt ansässigen Rechenzentren treiben den Energiebedarf in die Höhe, wie Tarek Al-Wazir im Eröffnungsgespräch zum Hessischen Ressourceneffizienz Kongress 2018 erklärte. Man dürfe die Digitalisierung und den Verbrauch von Energie und Rohstoffen nicht getrennt betrachten, folgerte der hessische Wirtschaftsminister und hatte sogleich ein Positivbeispiel parat: Laut dem „Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL: Hessen“ senkten bereits 34 Prozent der hessischen Unternehmen ihren Ressourcenverbrauch durch den Einsatz von digitalen Technologien.

Mit zahlreichen Maßnahmen erleichtert das Land Hessen Unternehmen den Weg in eine nachhaltige Wirtschaft. Al-Wazirs Gesprächspartner Dr. Martin Vogt, Geschäftsführer des VDI Zentrums Ressourceneffizienz, bescheinigte Hessen sogar eine Vorreiterrolle im verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen. Auch Deutschland stehe diesbezüglich gar nicht so schlecht da, dennoch herrsche weiterhin Handlungsbedarf, unterstrich Al-Wazir und fügte an: „Der Welterschöpfungstag wird 2018 wohl erstmals im Juli liegen.“ Soll heißen: Dieses Jahr wird die Menschheit im Juli bereits so viele natürliche Ressourcen verbraucht haben, wie der Planet Erde jährlich regeneriert. Vergangenes Jahr fiel der Welterschöpfungstag auf den 2. August, Anfang der 1970er-Jahre lag er noch im Dezember.

Wandel erforderlich

Dass globale Herausforderungen eine internationale Zusammenarbeit erfordern, machte Dr. Janez Potočnik, ehemaliger EU-Kommissar und jetzt Co-Vorsitzender des International Resource Panel des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, im Anschluss an das Eröffnungsgespräch deutlich. Wegen eines Unfalls musste er seine Teilnahme vor Ort kurzfristig absagen, wandte sich aber mit einer Videobotschaft an die Kongressteilnehmer. Darin forderte er einen grundlegenden Wandel – weg von einem Wirtschaftssystem, das Humankapital nicht genügend und das Kapital der Natur gar nicht würdigt, hin zu einer Kreislaufwirtschaft, die Ressourcen möglichst lange und mit ihrem größtmöglichen Wert im Produktions- und Konsumzyklus hält. Das Wirtschaftswachstum müsse dabei vom Ressourcenverbrauch und den negativen Folgen für die Natur entkoppelt werden. Potočnik regte eine UN-Konvention zum Umgang mit natürlichen Rohstoffen an, entsprechend den Konventionen zum Klimawandel oder zur Biodiversität.

Nicht nur Politik und Wirtschaft, auch die Konsumenten stehen in der Verantwortung. „Wir geben Geld aus, das wir noch nicht verdient haben, um Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen, und um Leute zu beeindrucken, die wir nicht einmal mögen“, brachte es der Wahlfrankfurter und Wirtschaftsphilosoph Anders Indset in seinem Impulsvortrag auf den Punkt. Er forderte eine Bewusstseinsrevolution und eine neue Weltanschauung, denn die alten Modelle griffen nicht mehr, wenn wir Autorität an Algorithmen übertrügen.

Pioniere im All und in Hessen

Während wir auf der Erde verschwenderisch mit Rohstoffen umgehen, werden in der Raumfahrt seit jeher Gewicht und Material gespart. Dinge, die ins All transportiert werden, fertige man deswegen in ressourcenschonender Leichtbauweise, erklärte Dr. Rolf Densing von der Europäischen Weltraumagentur ESA, deren Darmstädter Kontrollzentrum er leitet. Auch Energieverschwendung kann sich im Weltraum niemand leisten. Daher produzieren die im All eingesetzten hocheffizienzen Solargeneratoren mehr Strom als jene auf der Erde. Bleibt zu hoffen, dass die Technologie Einzug in die irdische Nutzung erneuerbarer Energien hält. Satelliten dienen schon heute dem Umweltschutz: Sie messen etwa den Meeresanstieg oder die weltweite Verteilung von Stickoxiden und tragen zum Ressourcenschutz bei. So können Landwirte mit Hilfe von Umweltsatelliten ihre Äcker kartieren, den Düngebedarf steuern und einer Überdüngung vorbeugen – angesichts der drohenden Verknappung von Phosphor eine hilfreiche Maßnahme.

Ressourcenschonende Brillengläser

Im Anschluss an Densings Vortrag präsentierten zwei hessische Unternehmen ihre Erfolgsbeispiele. Optotech aus Wettenberg bei Gießen hat ein ressourcenschonendes Fertigungsverfahren für Brillengläser entwickelt und wurde dafür 2017 als „Hessen Champion“ ausgezeichnet. Wie Bereichsleiter Thomas Krausgrill in Frankfurt erläuterte, werden die Brillenglas-Rohlinge auf der Rückseite üblicherweise mit einer Legierung aus Blei, Cadmium und Seltenerdmetallen versehen, um sie in die Bearbeitungsmaschinen einspannen zu können. Die Schwermetalle sind nicht nur gesundheitsschädlich, der Prozess erfordert zudem viel Energie, da die Legierung unter Wärmezufuhr aufgebracht und wieder entfernt wird. Zwar lassen sich die Metalle recyceln, produktionsbedingt geht aber pro Brillenglas ein halbes Gramm der Legierung verloren – weltweit gelangen so jährlich 500 Tonnen Schwermetalle in die Umwelt, rechnete Krausgrill vor. Ein alternatives Verfahren mit einer Kunststoffhalterung führt jährlich zu 12.000 Tonnen Plastikmüll. Die von Optotech entwickelte Anlage hingegen hält den Brillenglas-Rohling mit Vakuum und Spannbacken fest und gibt ihn per Pressluft wieder frei. Obwohl Optotechs Technik zukunftsträchtig ist, fällt die Markteinführung schwer, da die meisten Brillengläser derzeit kostengünstig in Asien gefertigt werden. Mit den neuen Anlagen könnten die Gläser zukünftig direkt beim Optiker hergestellt werde, wie dies in einem so genannten Flagship-Store in Heidelberg bereits passiert. Um in eine breite Umsetzung zu kommen, hat Optotech Kontakt zu klassischen Optikketten aufgenommen.

Null-Energie-Fabrik

Die Blechwarenfabrik Limburg, Hersteller von Dosen und anderen Behältern für chemisch-technische Füllgüter, produziert hierzulande so erfolgreich, dass sie expandiert. Mit dem neuen, noch im Bau befindlichen Firmensitz strebe man eine automatisierte Null-Energie-Fabrik an, in der keine Dose mehr von Hand angefasst werde, teilte Marketing-Leiterin Annika Trappmann in Frankfurt mit. Die Produktionkapazität soll nach dem Umzug bei unveränderter Mitarbeiterzahl um 50 Prozent steigen. Heizen und kühlen wird das Unternehmen zukünftig ausschließlich über Prozesswärme. Eine Photovoltaikanlage auf dem Fabrikdach wird 90 Prozent des Eigenverbrauchs decken, eine Senkung des Energiebedarfs um die Hälfte ist angestrebt. Die Automatisierung soll zudem Rohstoffe sparen, etwa über eine Minimierung des Ausschusses. Ein Kreislaufsystem hat das Unternehmen bereits etabliert: Leere Blechbehältnisse geben die Kunden zum Recycling zurück.

Globaler Metallverbrauch

Den Vorteil, dass sich Metalle nahezu unbegrenzt wiederverwerten lassen, betonte auch Dr. Josef Auer von Deutsche Bank Research in seinem Vortrag. Er konzentrierte sich auf Nichteisenmetalle wie Kupfer, die zwar nicht knapp, aber unverzichtbar sind und sich in den vergangenen Jahren verteuert haben oder im Preis schwanken. Der globale Materialverbrauch steige aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung dramatisch an, gab Auer als Begründung an und erwähnte zudem, dass die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 noch immer zu spüren seien. Engpässe entstünden auch dadurch, dass von der Planung bis zur Inbetriebnahme neuer Bergwerke rund zehn Jahre vergingen. Auer prognostizierte, dass sich der Markt für Industriemetalle weiter erholen werde. Da viele Metalle aus Schwellenländern oder politisch instabilen Regionen stammen, forderte er eine international abgestimmte Rohstoffpolitik, um die Ressourcensicherheit und den Umweltschutz zu verbessern.

Vernetzung und Digitalisierung als Schlüssel

Ob zwischen verschiedenen Ländern oder Branchen, zwischen Wirtschaft und Wissenschaft oder den Akteuren entlang von Wertschöpfungsketten: Zusammenarbeit und vernetzte Kompetenzen sind die Schlüssel zu mehr Ressourceneffizienz. Darin waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion am Nachmittag des Kongresstages einig. Professorin Liselotte Schebek von der Technischen Universität Darmstadt verwies darauf, dass Betriebe oft nicht wüssten, woher genau ihre Rohstoffe stammten bzw. welche Rohstoffe bei komplexen Produkten überhaupt zum Einsatz kommen. Diese Informationen müssten ihnen zugänglich gemacht werden. Dass es in Industriekreisen außerdem noch an Wissen in puncto Materialeffizienz mangele, ergänzte Naemi Denz, Mitglied der Hauptgeschäftsführung im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Die Digitalisierung könne einen entscheidenden Beitrag zu mehr Transparenz zu leisten.

Die Diskussionsrunde, an der neben Schebek und Denz auch Dr. Hugo Trappmann, Gesellschafter der Blechwarenfabrik Limburg, sowie Carl-Ernst Müller, Koordinator der neuen Kompetenzplattform nachhaltig.digital, teilnahmen, widmete sich vor allem der Frage, ob die Digitalisierung Ressourcen schone oder gar zu einem höheren Verbrauch führe. Trappmann sieht in der Digitalisierung durchaus einen Weg, Rohstoffe zu sparen. Ressourcen sind für ihn „Dinge, die Geld kosten“ und schon deswegen lohne es sich, Prozesse mit Hilfe der Digitalisierung effizienter zu gestalten. Schebek hingegen stellte fest, dass sich die Dringlichkeit des Ressourcenschutzes noch nicht ausreichend in den Kosten spiegele und dass „viele Unternehmen Digitalisierung und Ressourceneffizienz noch nicht zusammen denken“. Müller brachte einen weiteren Aspekt ins Spiel: Machen die Endverbraucher alle Bemühungen um Ressourcenschutz durch ihren Konsum zunichte? Als plakatives Beispiel führte er an, dass ein Handy zwar weniger Material benötige als eine Telefonzelle. Da aber fast jeder ein Handy besäße und meist schon nach zwei Jahren gegen ein neues Modell eintausche, sei für den Ressourcenschutz nichts gewonnen. Vielleicht muss auch die Industrie ihre Ansprüche zurückschrauben: „Wenn wir weiterhin jedes Jahr Wachstum verzeichnen wollen, werden wie nie etwas einsparen“, meinte Trappmann.

 

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion gaben fünf parallele Foren Einblicke in Geschäftsmodelle, Strategien und Technologien, die den Weg in eine ressourceneffiziente Wirtschaft ebnen.

Forum „Effiziente Produktion“

Massive Einsparungen erhoffen sich verschiedenste Branche von der additiven Fertigung, besser bekannt als 3D-Druck. Im Forum „Effiziente Produktion“ stellte Stephan Kegelmann sein Unternehmen Kegelmann Technik vor, das Bauteile für technische Anlagen und andere Investitionsgüter per additiver Fertigung produziert. Die Deutsche Bahn beispielsweise hält Ersatzteile im Wert von rund 600 Millionen Euro auf Lager – jetzt lässt sie abgebrochene Kleiderhaken und mehr bei Bedarf von Kegelmann ersetzen. Das spart Lagerplatz, Material und Kosten, denn statt der Ersatzteile, die vielleicht gar nicht benötigt werden, müssen nur noch ihre digitalen Baupläne vorgehalten werden.

Dr. Martin Hillebrecht von EDAG Engineering hob hervor, dass sich mit der additiven Fertigung filigrane, der Natur nachempfundene Strukturen herstellen lassen, zum Beispiel leichte und dennoch extrem stabile Komponenten für den Maschinen- und Automobilbau. Dadurch sinken nicht nur Material-, sondern auch Produktionskosten: So arbeitet Daimler dank der leichten Bauteile jetzt mit kostengünstigeren Fertigungsrobotern.

Dass eine effiziente Produktion den Standort Deutschland sichert, machte auch Dr. Ralf Meyer von Viessmann aus Allendorf deutlich. Mit Maßnahmen der Effizienzsteigerung – darunter der Aufbau einer eigenen Versorgung mit Energie aus Solarkraft und Biogas sowie die Nutzung von Abwärme aus Testanlagen und IT-Servern – konnte der Hersteller von Heiz-, Kühl- und Industrietechnik sogar den bedrohten Firmensitz in Nordhessen halten. Grundlage bildete ein Nachhaltigkeitspakt, den das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern geschlossen hatte: Sie leisteten über einen begrenzten Zeitraum unentgeltliche Mehrarbeit. Im Gegenzug investierte Viessmann erhebliche Summen in die Modernisierung. Jetzt ist das Unternehmen wieder wettbewerbsfähig – und die Mitarbeiter tanken kostenlos Strom für Elektrofahrzeuge.

Forum „Effiziente Infrastruktur“

Auf nachhaltige Gebäude sowie auf den energieeffizienten Betrieb von Rechenzentren gingen Christian Hämmerle vom Architekturbüro Snøhetta in Innsbruck und Staffan Reveman von der Revemann Energy Academy in Baden-Baden im Forum „Effiziente Infrastruktur“ ein. „Ressourcen, die einem an die Hand gegeben werden, müssen mit Respekt behandelt werden“, sagte Hämmerle und betonte, dass man bei Bauten vom Design bis zur Fertigstellung darauf achten solle, einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen.

In Sachen Energiemanagement lässt sich auch bei Rechenzentren noch einiges verbessern, denn deren Abwärme wird in Deutschland bisher kaum oder gar nicht genutzt. Dabei könnten die Rechenzentren die hohen Stromkosten hierzulande mit einem intelligenten Energiemanagement ausgleichen. In Schweden ist das bereits üblich, wie Reveman zeigte: Im IBM-Rechenzentrum in Kista bei Stockholm beispielsweise dient die Abwärme der Server zum Heizen von Büroräumen. Zudem fließt ein Teil der Abwärme ins Fernwärmenetz.

Forum „Neue Geschäftsmodelle“

Das Forum „Neue Geschäftsmodelle“ lieferte ebenfalls Impulse für den sparsamen Umgang mit Energie und anderen Ressourcen. Artur Borger von Fresh Energy aus Berlin präsentierte ein Smart Meter zur Analyse des Stromverbrauchs. Die zugehörige App klärt auf, wer oder was wann wie viel Strom verbraucht. Die Nutzer erkennen so Energiefresser und können Strom sparen, indem etwa die Waschmaschine nur in Phasen günstiger Strombereitstellung läuft. Auch Unternehmen können über die smarte Energienutzung Kosten senken – so macht die Digitalisierung neue Geschäftsmodelle möglich.

Michael Lohmeier von der Deutsche Post DHL Group und Michael Lindhof von Mobileeee aus Frankfurt wiederum gingen auf die Elektromobilität ein: Lohmeier stellte den E-Transporter von Streetscooter, einem Tochterunternehmen der Deutsche Post DHL Group, vor, der in Zusammenarbeit mit der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule Aachen unter Befragung von DHL-Fahrern entwickelt wurde. Die Fahrzeuge sind in zwei Größenklassen mit Reichweiten von rund 110 beziehungsweise 205 Kilometern erhältlich und verursachen verglichen mit Dieseltransportern nur etwa ein Drittel der Energiekosten. Auch die Sorge um Fahrverbote in Innenstädte hat sich damit erledigt. Das E-Carsharing-Konzept von Mobileeee, das sich speziell an Kommunen und Betriebe wendet, sorgt ebenfalls für mehr Nachhaltigkeit im Verkehr und ist kostengünstiger als ein eigener Fahrzeugpool.

Forum „Recycling“

Das Forum „Recycling“ wurde von der Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS organisiert und begleitet. Jürgen Gassmann, Abteilungsleiter für Magnetwerkstoffe beim IWKS, erläuterte in seinem Vortrag Verfahren zur Aufbereitung von Lithium-Ionen-Batterien und Permanentmagneten für E-Fahrzeugen. Lithium-Ionen-Akkus enthalten unter anderem Kobalt, das unter bedenklichen Bedingungen im Kongo gewonnen und bislang nur zu rund 50 Prozent wiederverwertet wird. Für das Batterierecycling schlug Gassmann die elektrohydraulische Zerkleinerung mit einer Hochspannungsentladung vor. Die dabei freigesetzten Schockwellen schwächen komplex zusammengesetzte Materialien vor allem an den Grenzflächen und trennen die verschiedenen Inhaltsstoffe selektiv. Bei der Aufbereitung von Permanentmagneten wiederum, den Herzstücken von Elektromotoren, setzen die Fraunhofer-Forscher auf eine Versprödung der Altmagnete mit Wasserstoff. Das so erhaltene Pulver kann zu neuen Magneten gepresst werden.

Das Biotech-Unternehmen Brain aus Zwingenberg sowie Fritzmeier Umwelttechnik aus Großhelfendorf bei München hingegen nutzen Mikroorganismen für die Rückgewinnung von wertvollen Metallen. Brain-Mitarbeiterin Ester Gabor stellte eine Pilotanlage namens BioXtractor vor, die Edelmetalle aus zerkleinertem Elektroschrott, Müllverbrennungsaschen und anderen gemahlenen Wertstoffen mit Hilfe von Bakterien isoliert. Noch landen jährlich bis zu drei Tonnen Gold und große Mengen anderer Metalle auf Deutschlands Straßen, da Abfallverbrennungsaschen teils Asphalt beigemischt werden.

Birgit Lewandowski von Fritzmeier Umwelttechnik präsentierte ebenfalls ein Bioleaching-Verfahren, das aber nicht nur Metalle, sondern auch Phosphor rückgewinnt. Die Technik klingt vielversprechend, zumal eine Novelle der Klärschlammverordnung das Ausbringen von Klärschlämmen auf Böden ab dem Jahr 2029 einschränkt, dafür aber zur Phosphor-Wiederaufbereitung verpflichtet.

Forum „Sensorik und Ressourceneffizienz“

Im Energiemanagement, in der Automatisierung von industriellen Verfahren und vielen anderen digitalisierten Prozessen spielen Sensoren eine Schlüsselrolle. Im Forum „Sensorik und Ressourceneffizienz“ präsentierten drei hessische Unternehmen – Jumo aus Fulda, Samson aus Frankfurt und BSC Computer aus Allendorf – intelligente Sensortechnik zur Steigerung der Ressourceneffizienz.

Sensorsysteme von Jumo kommen unter anderem in der Wasser-, Abwasser- und Umwelttechnik sowie im Bereich Erneuerbare Energie zum Einsatz. Jumo-Mitarbeiterin Ulrike Storm hob hervor, dass die Sensoren nicht so lange halten wie die zugehörige Elektronik. In Jumos Systemen sind die beiden Komponenten daher leicht voneinander trenn- und damit austauschbar.

Auf Sensoren, die mit Stellventilen in Rohrleitungen kommunizieren, ging Samson-Vertreter Guido König ein. Das Unternehmen hat den Wandel von analoger zu digitaler Mess- und Regelungstechnik vollzogen und bildet mit seinen smarten Systemen die Basis für die Automatisierung von industriellen Prozessen und Gebäudetechnik. Heizungsanlagen etwa lassen sich so via Internet von überall aus verwalten und steuern, dieFernauslesung von Reglern, Verbrauchszählern und weiteren Peripheriegeräte eingeschlossen.

Besonders praktisch sind die batterielosen Funksensoren, die Jörg Hofmann, Gründer von BSC Computer, vorstellte. Sie arbeiten energieautark nach dem Prinzip des Energy Harvesting und kommen bei der Hausautomation zum Einsatz. Sensoren, die beispielsweise den Öffnungszustand von Fenstern melden, werden über die Bewegung des Fenstergriffs mit kinetischer Energie versorgt.

Zögerliche Digitalisierung in der Umwelttechnik

Trotz der vielen guten Ideen und des Innovationswillens der Umwelttechnikunternehmen schreitet die Digitalisierung in diesem Sektor deutlich langsamer voran als zum Beispiel in der Unterhaltungsindustrie, dem Handel oder der Finanzbranche, wie Ralph Büchele von der Unternehmensberatung Roland Berger in dem Abschlussvortrag darstellte: Viele Unternehmen der Umwelttechnik zeigen sich zögerlich, da sie eine fehlende Datensicherheit fürchten. Dabei könnte die Branche besonders vom digitalen Wandel profitieren. Durch die digitale Transformation könnten die Kohlendioxid-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2025 um 50 Millionen Tonnen sinken – bei einem gleichzeitigen Anstieg des Marktvolumens der deutschen Umwelttechnikbranche um jährlich 20 Milliarden Euro. Im Energiesektor sei die Digitalisierung schon relativ weit fortgeschritten, sagte Büchele. Für die Steigerung der Rohstoff- und Materialeffizienz werde das Potenzial der Digitalisierung aber bislang zu wenig genutzt. „Seien Sie schneller als alle anderen“, gab Büchele der Umwelttechnikbranche mit auf den Weg und empfahl den Unternehmen die Entwicklung eines digitalen Leitbilds: Wie sieht die Welt in zehn Jahren aus? Und wie reagiere ich darauf?

Antworten auf diese Fragen, ebenso Denkanstöße und zahlreiche Praxisbeispiele lieferte der zweite Hessische Ressourceneffizienz Kongress reichlich.

Den Kuchen teilen

Zur Kurzweiligkeit der Veranstaltung trug nicht zuletzt Matthias Wesslowski bei, der wohl intellektuellste Zauberer und Feuerschlucker Deutschlands. Am Ende seiner Show, die direkt nach der Mittagspause für Aufmunterung sorgte, zauberte er einen Kuchen herbei und reichte ihn ins Publikum: „Jeder darf sich ein Stück nehmen, aber nicht so ein großes, damit es für alle reicht.“ Und siehe da: Als der Gugelhupf – oder Googlehupf – die Runde gemacht hatte, war tatsächlich noch etwas übrig. Die Botschaft ist eindeutig: So bescheiden sollen wir fortan auch mit den Ressourcen der Erde umgehen.

 

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