3.4 Rechtsfragen im Kontext der additiven Fertigung

Disclaimer

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei den in diesem Kapitel dargestellten Informationen weder um eine abschließende Darstellung noch eine individuelle Rechtsberatung handelt. Die Ausführungen dienen lediglich der Darstellung aktueller Fragen und Sichtweisen, um einen Überblick zu den dargelegten Problematiken und Zusammenhänge zu geben. In keinem Fall ersetzen die Ausführungen eine individuelle Rechtsberatung bei fachlich entsprechend geschulten Personen.

Spätestens mit dem ersten Aufkommen von Plattformen zum Austausch von Daten für den 3D-Druck werden immer öfter Fragen nach den rechtlichen Rahmenbedingungen gestellt.

Die Gesetzgebung ist in Bezug auf die Entwicklung, den Vertrieb und den Gebrauch von dreidimensionalen Gegenständen und Produkten mit dem Urheber-, Marken-, Patent-, Gebrauchs- und Geschmacksmusterrecht sowie der Gesetzgebungen zum Schutz personenbezogener Daten zwar umfangreich aufgestellt, doch birgt der digitale Austausch und der additive Nachbau von Bauteilen eine ganze Reihe von Gefahren der Rechteverletzung, ohne dass es den Nutzenden klar sein dürfte. Dies sind zum Beispiel Schadensersatzforderungen bei Versagen eines additiv erzeugten Bauteils, die Verwendung privat gedruckter Gegenstände in Gewerberäumen oder das Scannen eines rechtlich geschützten Produkts für die Datenerzeugung zum 3D-Druck. Am offensichtlichsten wird die Rechtsproblematik sicherlich bei der Verbreitung von Daten zum Bau von Waffen über das Internet.

Grundsätzlich unterscheiden sich die Fragestellungen hinsichtlich einer privaten oder gewerblichen Nutzung eines gedruckten Bauteils oder Produkts nicht, da das Urheber- und Markenrecht in beiden Fällen gleichermaßen gültig ist. Rechtsverletzungen können dabei sowohl bei der Erfassung von Daten eines geschützten Produkts, beim Versenden bzw. Abrufen von dreidimensionalen Daten sowie bei der additiven Herstellung einer Bauteilgeometrie beziehungsweise beim Vertrieb entstehen.

In einem Arbeitsbericht des Rechtsausschusses (JURI) des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2017 wurde der Aufbau einer globalen Datenbank für 3D-druckbare Objekte als ein möglicher Lösungsansatz genannt, um die Reproduktion von urheberrechtlich geschützten Bauteilen zu kontrollieren. Außerdem könnte eine legale Obergrenze für die Anzahl von Privatkopien für 3D-Objekte eingeführt beziehungsweise eine Abgabe zur Kompensation von Urheberrechtsverletzungen erhoben werden. In Zukunft kann die Rückverfolgung, Identifikation und Authentisierung 3D-gedruckter Bauteile unter Nutzung forensischer Zeichen erfolgen. Diese können den Objektdaten als digitale Signatur vor dem Druckprozess hinzugefügt und nach dem additiven Produktionsprozess von 3D-Scannern zur Freigabe erfasst werden.

Veränderte rechtliche Rahmenbedingungen für Unternehmen der additiven Fertigung liegen darüber hinaus seit Inkrafttreten der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vor. Denn personenbezogene Daten werden bei der additiven Herstellung nicht nur im Dienstleistungsmanagement und Personalmanagement verarbeitet, sondern können auch in der von individueller Produktentwicklung und datengetriebener Produktion geprägten Auftragserfüllung anfallen. Entsprechende Maßnahmen und Anpassungen der betroffenen Prozesse sind notwendig, um den neuen datenschutzrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Urheberrecht

Durch das Urheberrecht werden ‚geistige Schöpfungen‘ einer Person geschützt, die eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen. Darunter werden Werke aus Literatur, Fotografie, Film und Musik ebenso verstanden wie solche aus der Wissenschaft sowie der freien und angewandten Kunst. Urheberrechte können geltend gemacht werden, ohne dass eine Schöpfung beim Patent- und Markenamt als solche angemeldet wurde.

Dies betrifft im Kontext der additiven Produktion vor allem dreidimensionale Kunstwerke und Skulpturen sowie Designobjekte und Möbelstücke. Ein Kopieren für den privaten Bedarf kann zulässig sein, sofern keine offensichtlich rechtswidrig veröffentlichten Daten verwendet werden. Je nach vorliegendem Fall sind mehrere Kopien erlaubt. Das Versenden der Daten an einen Dienstleistenden ist allerdings nicht gestattet. Die Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken ohne Einwilligung der Person, die ein Recht auf die Urheberschaft hat, kann geahndet werden. Dabei stellt bereits die Digitalisierung eines urheberrechtlich geschützten Werks eine urheberrechtlich relevante Handlung dar. Denn nur der Person, die die Rechte innehat, ist es erlaubt, von ihrem Werk digitale Daten zu erheben beziehungsweise sie zu skalieren (VDI: Statusreport „Additive Fertigungsverfahren“, Verein Deutscher Ingenieure e. V., September 2014). Das Urheberrecht erlischt erst 70 Jahre nach dem Tod der Person, die die urheberschaftlichen Rechte besitzt.

Designrecht

Das Design von Produkten und Konsumgütern kann von der gestaltenden Person beziehungsweise einem Unternehmen zusätzlich zum Urheberrechtsanspruch durch Eintragung beim Patent- und Markenamt geschützt werden. Die Schutzdauer eines eingetragenen Designs beträgt 25 Jahre. Neuheit und Eigenart sind Voraussetzungen für die Erteilung der Eintragung, werden durch das Amt aber nicht geprüft. Mit Verweis auf ein eingetragenes Design können sowohl die Vervielfältigung eines Produkts, Konsumguts oder Design- bzw. Modeartikels als auch dessen Inverkehrbringen oder Gebrauch untersagt werden. Das Designrecht beeinflusst also in hohem Maße Fragen des rechtlichen Rahmens für die generative Fertigung.

Gebrauchsmuster und Patentrecht

Patent und Gebrauchsmuster sind gewerbliche Schutzrechte, die einem Erfinder, einer Erfinderin beziehungsweise einem Unternehmen die geschützte wirtschaftliche Verwertung einer technischen Erfindung ermöglichen. Während für die Erteilung eines Patents eine deutliche Erfindungshöhe vorausgesetzt wird, spricht man bei Gebrauchsmustern lediglich von einem erfinderischen Schritt. Der Schutzrahmen ist daher bei Patenten deutlich größer und auch die maximale Schutzdauer von 20 Jahren übersteigt diejenige von Gebrauchsmustern mit zehn Jahren deutlich. Bei der Reproduktion von Bauteilen oder Komponenten eines Produkts durch die additive Fertigung sollten mögliche Patentschutzrechte überprüft werden.

Nach dem Auslaufen eines Patents stehen die durch die im Zuge der Patentierung veröffentlichten technischen Lösungen frei zur Verfügung. Bislang ist noch nicht eindeutig geklärt, ob das Kopieren von Konstruktionsmerkmalen eines Produkts eine mittelbare Patentverletzung darstellt. Mit Blick auf die sich durchsetzende Rechtsprechung scheint das gegenständliche Kopieren von Geometriedaten auszureichen, um Schutzrechte zu verletzen (VDI: Statusreport „Additive Fertigungsverfahren“, Verein Deutscher Ingenieure e. V., September 2014).

Markenrecht

Durch das Markenrecht lassen sich die Kennzeichnung eines Produkts oder Unternehmens in Form von Bildern (Bildmarke), Wörtern (Wortmarke), deren Kombination (Wort-Bild-Marke) oder grafischen Darstellungen in zwei- und dreidimensionaler Ausführung schützen.

Produkte und Güter mit geschützten Marken dürfen weder in identischer noch ähnlicher Form reproduziert, angeboten oder vermarktet werden. Da es im Zuge der steigenden Verbreitung von 3D-Druckern und Scannern zur Erfassung dreidimensionaler Geometrien auch zur Reproduktion der an einem Produkt gekennzeichneten Marken kommen kann, sind Rechtsverletzungen nicht ausgeschlossen. Bislang sind nur einige wenige Rechteverletzungen im Kontext der additiven Produktion bekannt geworden. Dies könnte sich aber mit dem wachsenden Markt für die generative Fertigung in den nächsten Jahren in ähnlicher Weise entwickeln, wie man es in der Musik- oder Filmindustrie zu Beginn des Jahrtausends beobachten konnte. Der Europäische Gerichtshof hat allerdings klargestellt, dass die Betreiber von Internetplattformen nicht unmittelbar durch die Zurverfügungstellung der technischen Mittel für den Verkauf markenverletzender Waren haftbar gemacht werden können. Auch der BGH hat eine Beihilfehaftung der Plattformbetreiber für Markenrechtsverletzungen Dritter abgelehnt (Leupold, Glossner 2016).

Haftungsrechtliche Fragen

Neben der möglichen Verletzung von Schutzrechten ist die Frage der Produkthaftung für den Markt mit generativ erzeugten Produkten bislang ebenfalls nicht eindeutig geklärt. Das Produkthaftungsgesetz sieht mögliche Ansprüche bei fehlerhaften Bauteilen oder Komponenten vor. Da die additive Fertigung die Herstellung von Produkten im privaten Umfeld auf Basis von 3D-CAD-Daten erlaubt, entstehen neue haftungsrechtliche Aspekte.

In der bisherigen Rechtsprechung geht man davon aus, dass der Produzent für die Beschädigung von Rechtsgütern haftet, die auf ein fehlerhaft hergestelltes Produkt zurückzuführen sind. Während im BGH die Produzentenhaftung infolge eines verhaltensbezogenen Fehlers betont wird, stellt das europäische Produkthaftungsgesetz zur Bewertung der Haftungsfrage nicht das fehlerhafte Verhalten eines Unternehmens, sondern den Produktfehler als solchen in den Mittelpunkt der Betrachtung.

Da Konstruktion, Fabrikation und Montage bei der additiven Fertigung virtuell ablaufen und oftmals an unterschiedlichen Orten und von unterschiedlichen Personen und Unternehmen durchgeführt werden, sind die „Besonderheiten der arbeitsteiligen Produktion im besonderen Maße sichtbar“ (VDI: Statusreport „Additive Fertigungsverfahren“, Verein Deutscher Ingenieure e. V., September 2014). Es kann davon ausgegangen werden, dass im Kontext der industriellen Fertigung wie bisher der Endherstellende für Fehler im Produkt mit Blick auf die Konstruktionsverantwortung haftet und sich bei fehlerhafter Konstruktion Haftungsansprüche im Innenverhältnis ergeben. Unterschiede gibt es im Kontext der additiven Fertigung allerdings, wenn die Fertigung für eine private Person als Endverbraucher erfolgt. Hier kann der Endherstellende umfassend für die Fehler eines additiv erzeugten Produkts haftbar gemacht werden. Der Rechtsanwalt Dr. Markus Bagh rät Unternehmen, die durch die Produktherstellung mithilfe von 3D-Druckern gewerblich tätig sein wollen, dazu, in den Geschäftsbedingungen einen ‚Haftungsausschluss bei print on demand‘ vorzusehen (Horsch, Florian: 3D-Druck für alle – Der Do-it-yourself-Guide. München, Wien: Carl Hanser Verlag, 2014).

Bislang unklar ist die Rechtsprechung in Bezug auf den Sachverhalt, ob Privatpersonen im Kontext des Produkthaftungsgesetzes durch das Betreiben additiver Fertigungsanlagen zu Herstellenden werden können. Nach Paragraf 4 des Produkthaftungsgesetzes sind Herstellende eines Produkts Personen, die das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt haben. Da der Gesetzgeber jedoch den Produktbegriff nach Paragraf 2 des Produkthaftungsgesetzes stets zusammen mit dem Begriff „Herstellenden“ sieht, haben Juristen im Falle der privaten Erzeugung eines Produkts mithilfe einer additiven Fertigungsanlage auf Basis fertiger Konstruktionsdaten Zweifel daran, ob eine haftbare eigenverantwortliche Tätigkeit einer Privatperson überhaupt vorliegen kann. Werden die Daten nicht durch eigenes Zutun verändert, kann beim Druck eines Bauteils wohl von einer reinen Montagetätigkeit nach den Vorgaben der Herstellenden ausgegangen werden. Die Verantwortung würde dann bei den Konstruierenden liegen (VDI: Statusreport „Additive Fertigungsverfahren“, Verein Deutscher Ingenieure e. V., September 2014).

Und auch hinsichtlich der haftungsrechtlichen Zusammenhänge bei Mangelfolgeschäden – wenn ein selbst additiv gefertigtes Bauteil einen Schaden an der Maschine verursacht, in die es verbaut wurde – besteht derzeit noch keine Klarheit, welche Auswirkungen dies dann auf Garantie, Gewährleistung oder Schadenersatz hat.

Datenschutzrecht

Das Datenschutzrecht baut auf dem juristischen Konzept des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes auf, nach dem jeder Mensch selbst entscheiden kann, wem, wann und welche seiner persönlichen Daten er zugänglich machen will. Die DSGVO bildet einen auf europäischer Ebene einheitlichen Rechtsrahmen für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Dies betrifft jeden Vorgang im Zusammenhang mit Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.

Risiken zur Verletzung des Datenschutzrechtes entstehen im Wesentlichen durch unrechtmäßige Erhebung, nicht termingerechtes Löschen, Verlust oder unbeabsichtigte Weitergabe von Daten, das Verarbeiten fehlerhafter Daten sowie Datendiebstahl. Jedes Unternehmen muss deshalb seine individuellen Strukturen und Prozesse analysieren, um die vom Datenschutzrecht betroffenen Daten zu identifizieren und Vorkehrungen zu treffen, diese Risiken zu vermeiden.

Bei der additiven Herstellung von Produkten hängt die Tragweite der datenschutzrechtlichen Bestimmungen maßgeblich davon ab, wie und in welchem Umfang personenbezogene Daten verarbeitet werden. Inwieweit ein Unternehmen davon überhaupt betroffen ist, unterscheidet sich auch nach branchen- und fertigungsspezifischen Eigenheiten. Insbesondere in der Medizintechnik werden personenbezogene Daten – mitunter auch sensible Gesundheitsdaten, zum Beispiel beim 3D-Druck einer Zahnprothese – verarbeitet. Auch in der Lifestyle- und der Nahrungsmittelindustrie können personenbezogene Daten bis weit in den Produktionsprozess hinein vorliegen, während in der additiven Fertigung für die Automobil-, Werkzeug- und Maschinenbauindustrie die Verarbeitung von personenbezogenen Daten eher auf Bestellvorgänge oder Abrechnungen beschränkt ist. Wo Geschäftsbeziehungen nur zwischen Unternehmen üblich sind, ist der Charakter der Datenverarbeitung ein anderer als im Verkehr mit Privatpersonen, etwa bei der Herstellung von personalisierten Brillen oder Schuhen.

Eine tiefergehende Betrachtung von DSGVO und Additiver Fertigung haben wir hier für Sie zusammengestellt:
Studie zu Effekten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung auf Additive Fertigung (von 2018)
Eine kurze Übersicht zu obiger Studie
Dieser Infoflyer von 2018 basiert auf der hierüber aufgeführten Studie und bietet einfache Hilfestellungen, welche Maßnahmen zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen erforderlich sein könnten.

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